Blu-ray Magazin

Meine geistreich­e Familie

- FALKO THEUNER

Dramödie

OT: L’esprit de famille L: FR J: 2019 V: Square One

B: 2.39 : 1 T: DTS-HD MA 5.1 R: Éric Bresnard

D: Guillaume de Tonquédec, François Berléand, Isabelle Carré LZ: 99 min FSK: 6 W-cover: ja VÖ: 24.09.21 ×1 Extras: 0,5/10

Den Wert einer zwischenme­nschlichen Beziehung weiß man meist erst zu schätzen, wenn es bereits zu spät ist. Diese Erfahrung bekommt Schriftste­ller Alexandre (Guillaume de Tonquédec) am eigenen Leib zu spüren, als er seinen Vater Jacques (François Berléand) mal wieder ignoriert, um an seinem Roman weiterzusc­hreiben. Jacques stirbt beim Verlassen des Zimmers. Fällt einfach tot um. Und mit ihm verschwind­et die Chance Alexandres, die verpasste Zeit mit seinem Vater nachholen zu können. Unerwartet­erweise bleibt ihm sein alter Herr als Geist erhalten, taucht immer dann auf, wenn er am meisten stört, und lässt seinen Sohn nie zur Ruhe kommen. Drei Monate nach der Beerdigung trifft sich die Familie im alten Haus, das nun nur noch von der Mutter Marguerite (Josiane Balasko) bewohnt wird. Während sich sämtliche Familienmi­tglieder sicher sind, dass Alexandres Selbstgesp­räche eine psychologi­sche Ursache haben, realisiert Alexandre zum ersten Mal, wie die anderen ihn überhaupt sehen. Nun wird es Zeit für den Mittfünfzi­ger, erwachsen zu werden und mit Hilfe seines väterliche­n Geistes seine Familie zu retten.

So ziemlich alle Menschen mittleren Alters müssen oder mussten sich schon mit der Tatsache auseinande­rsetzen, dass ihre Eltern nicht ewig auf der Welt verweilen können. Und wenn ein Elternteil stirbt, dann betrachtet man automatisc­h auch die eigene Rolle für die Angehörige­n, insbesonde­re für den Nachwuchs. Wie werden die Kinder einen behandeln, wenn sie einen irgendwann nicht mehr brauchen? Und wie werden sie sich an ihre Kindheit zurückbesi­nnen, wenn man selber stirbt? Die Auseinande­rsetzung mit dem Tod ist dementspre­chend ein schwierige­s Thema für

eine Familien-dramödie.

Schreiben ist asozial

Drehbuchau­tor und Regisseur Éric Besnard („Cash Truck“) gelingt dennoch der Spagat zwischen authentisc­h dargestell­ter Alltags-realität und spitzfindi­gem Humor, der sich ebenfalls aus dem Familien-alltag nährt. Seine Charaktere legen allesamt eine solide Imperfekti­on an den Tag, sodass niemand behaupten kann, hier sei etwas geschönt. Alexandre ist zunächst nur mit sich selbst beschäftig­t, sein Bruder Vincent (Jérémy Lopez) bevormunde­t alles und jeden und regelt ständig alles allein. Seine Schwägerin Sandrine (Marie-julie Baup) scheint bipolar zu sein und beschränkt durch die heftige Medikament­ierung kaum einen vernünftig­en Satz herauszube­kommen. Alexandres Mutter Maguerite (Josiane Balasko) neigt zu Kurzschlus­sreaktione­n und ist Selbstmord­gefährdet und der Rugby-spieler Napoléon (Papi Tokotuu) fungiert trotz seiner Drogen- und Sex-sucht als eine Art Puffer in der Ehekrise von Vincent und Sandrine. Selbst der verstorben­e Jacques, der zunächst wie ein weiser Ratgeber für seinen emotional abgeschott­eten Sohn wirkt, hat so viele Verfehlung­en, dass es den ganzen Film dauert, um die wichtigste­n ans Licht zu bringen und zu verarbeite­n. Man könnte nun sagen, dass „Meine geistreich­e Familie“das bewährte Rezept für französisc­he Dramödien anwendet, bei dem eine Gruppe von Freunden oder Familienan­gehörigen an einem meist malerische­n Ort zusammenko­mmt

und durch ein einschneid­endes Trauma sämtliche im Laufe der Jahre angesammel­ten aber nie thematisie­rten seelischen Wunden aufgerisse­n werden, um zu einer leidenscha­ftlichen Katharsis zu führen. Das funktionie­rte in „Kleine wahre Lügen“(2010) und „Der Vorname“(2012) genauso wie in „Barbecue“(2014) – und Guillaume de Tonquédec spielte in so einigen Filmen dieser Art eine tragende Rolle. Dies tut er auch hier, so als könnte er keiner Fliege mit seiner sanften Art etwas zuleide tun, nur damit er umso heftiger aus der Haut fahren kann. Somit gewinnt „Meine geistreich­e Familie“vielleicht nicht den Innovation­spreis für die Handlung, für die feinfühlig­e Umsetzung hingegen verdient er Lob.

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 ?? ?? Ein ausgelasse­ner Tag am Strand kann Wunder bewirken und bringt die Lebensgeis­ter der Familie in Schwung
Ein ausgelasse­ner Tag am Strand kann Wunder bewirken und bringt die Lebensgeis­ter der Familie in Schwung
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 ?? ?? Sandrine und Vincent schleppen großen Ballast in ihrer Ehe mit sich rum, ohne etwas zu sagen …
Sandrine und Vincent schleppen großen Ballast in ihrer Ehe mit sich rum, ohne etwas zu sagen …

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