THE LAST JOUNEY Die letzte Reise der Menschheit
Luc Besson hat mit seinen Sci-fi-großproduktionen wie „Das Fünfte Element“(1997) und „Valerian“(2017) gezeigt, dass europäisches Kino ebenso aufwendig wie originell sein kann. Nun will der Newcomer Romain Quirot mit seiner eigens kreierten Sci-fi-geschichte in die großen Fußstapfen des Meisters treten. Stellt sich nur noch die Frage, ob ihm das mit „The Last Journey“gelingt?
Die Zukunft! Zu einer unbestimmten Zeit, an einem unbestimmten Ort... aber vermutlich Frankreich: Eines Tages tritt ein roter Mond am Himmelszelt auf. Die Menschen bauen seine Rohstoffe ab und gewinnen somit das neue Element Lumium – es leuchtet! Damit können von nun an Autos zum Schweben gebracht werden. Und vielleicht macht Lumium noch ein paar andere Dinge, doch schweigt sich der Film darüber aus. Der Haken an der ganzen Leuchtmittelgewinnung ist die Tatsache, dass der rote Mond jeden Tag der Erde ein paar Schritte näher kommt. Mittlerweile ist er schon so nah, dass es auf der Welt aufgehört hat zu regnen. Frankreich ist nur noch eine Wüste. Der Sohn des Wissenschaftlers Henri W.R. (Jean Reno), Paul W.R. (Hugo Becker), soll der Auserwählte sein, der die Welt rettet. Wieso auch immer …
„The Last Journey“ist das Produkt von Autor und Regisseur Romain Quirot. Schon 2018 hat er die Geschichte als Kurzfilm – ebenfalls mit Hugo Becker in der Hauptrolle – gedreht. Als Vaterfigur konnte Quirot mit Jean Reno etwas Starpower in seine Spielfilmversion einbauen. Paul Hamy spielt den Bruder des Protagonisten Elliott W.R., welcher zuerst beim Versuch, den Mond zu zerstören, verschwindet und später als Antagonist plötzlich wieder auftaucht. Die junge Darstellerin Lya Oussadit-lessert spielt Elma, deren Geschlecht zu keiner Zeit im Film erwähnt wird. Sie wirkt ebenso gender-neutral wie Ed aus „Cowboy Bebop“. Aber dazu später mehr!
Französische Comic-kultur
„The Last Journey“ist, obwohl er überwiegend in einer Wüste spielt, sehr farbenfroh. Wie in einem
Comic wird die Palette der Primärfarben voll ausgenutzt. Durch die sehr gute technische Qualität der Blu-ray kommt dieser Aspekt in all seiner Reinheit voll zur Geltung.
Die Franzosen besitzen nicht erst seit Beginn des Grafiknovellen-magazins „Métal hurlant“(1975) eine blühende Comic-kultur. Die Zeitschrift wurde ein Bestseller und kam 1977 in den USA als „Heavy Metal“heraus. Bei uns in Deutschland wurde sie unter dem seidig-süßen Namen „Schwermetall“1980 auf den Markt gebracht. Die Franzosen haben die Comic-welt geprägt wie kaum ein anderes Land. 1959 erschufen der Autor René Goscinny und Zeichner Albert Uderzo die Figuren Asterix und Obelix. Jean-claude Forest bewies mit „Barbarella“1962, dass Comics auch etwas für ein erwachsenes Publikum sein können und setzte damit den Grundstein für „Métal hurlant“. Und schließlich inspirierte die Comic-reihe „Valerian und Veronique“von Autor Pierre Christin und Zeichner Jean-claude Mézières seit 1967 Freunde der Science-fiction wie George Lucas und Luc Besson. Auch Inspirationen aus dem anderen großen Land des Comics, den USA, finden in „The Last Journey“ihren Einsatz. So sehen die Raketen im Film den alten V2-raketen, wie sie in den Science-fictionfilmen der 1950er Jahre gang und gäbe waren, sehr ähnlich. „Buck Rogers“lässt grüßen!
Verloren in der Unendlichkeit
Wer „Solaris“von Andrei Tarkowski aus dem Jahr 1972 gesehen hat, weiß, wo die Reise inhaltlich in „The Last Journey“hingeht. Der rote Mond
und das karge Wüsten-setting stehen für die Isolation und den inneren Dämonen des Helden, der schon früh in seiner Kindheit seine Mutter verloren hat. Überhaupt hat anscheinend jeder Charakter im Film seine weibliche Bezugsperson verloren. Die beiden Brüder Paul W.R. und Elliot W.R. ihre Mutter. Ihr Vater Henri W.R. seine Frau. Selbst Elma hat keine Mutter mehr. All das erinnert ein wenig an Luc Bessons „Der letzte Kampf“von 1983, in dem keine weiblichen Bezugspersonen mehr existieren. Aus diesem Grund kann an Elmas weiblichem Geschlecht durchaus gezweifelt werden. Genau wie Ed aus „Cowboy Bebop“besitzt Elma alle standardisierten Charakteristika eines männlichen Wesens: bübische Verspieltheit, Technikbegeisterung und schlampige Klamotten.
Doch hier fängt die Inkonsequenz des Stoffes an. Es gibt noch eine eindeutige Barkeeperin, auch wenn diese die Charakteristika des Weiblichen ebenso nicht zu 100 Prozent erfüllt. Verwirrend ist es trotzdem. Und da hört die Verwirrung auch noch nicht auf. Wieso taucht Pauls Bruder wieder auf? Was ist er? Die Verkörperung des roten
Mondes? Und wer sind die gesichtslosen Sturmtruppen, die er mitgebracht hat? Eliott kann nun in die Gedanken der Menschen eingreifen und sie zum Selbstmord bewegen, wie ein gemeiner buddhistischer Mönch im Mittelalter. Warum er das tut, bleibt sein Geheimnis! Vermutlich wird hier wieder auf das gequälte Dasein des menschlichen Geistes angespielt, aber leider ohne den Kontext mit einzubeziehen.
Da Romain Quirot seines Zeichens noch ein sehr junger Regisseur und Autor ist, können vielschichtige Handlungen etwas zu engagiert erscheinen. Die Komplexität der Story in allen Ehren, aber es fehlen viele Teile, die sie zu einem Ganzen werden lassen.
Nicht nur die zu komplexe Geschichte, deren Hinweise zur Entschlüsselung nicht vollständig bis zum Ende gedacht wurden, macht dem Filmvergnügen einen Strich durch die Rechnung. Auch der Mangel an individuellem Gedankengut lässt den Film in der Erinnerung allmählich verblassen. Mal sehen, was es da so gibt: Sturmtruppen wie in „Star Wars“, ein postapokalyptisches Wüstensetting à la „Mad Max“, Robo-spinnen
als Spionagewerkzeug – „Minority Report“lässt grüßen! Schwebende Autos wie in „Zurück in die Zukunft“und „Das fünfte Element“. Doppel-check! Wäre das Design von „The Last Jounrey“so originell wie sein Inhalt, dann wäre der Film noch um ein Vielfaches sehenswerter. So bleibt es immerhin ein interessanter Indiestreifen mit pseudophilosophischem Ansatz und ansprechender Technik.