Blu-ray Magazin

STOWAWAY BLINDER PASSAGIER

- LARS ZSCHOKE

Ein Leben im All ist ein Leben der Extreme. Jede falsche Entscheidu­ng oder Unachtsamk­eit kann den Tod nach sich ziehen. „Stowaway“tritt in die großen Fußstapfen moderner Scifi-klassiker wie „Gravity“(2013) und „Passengers“(2016). Kann der Weltraumtr­ip mit Anna Kendrick qualitativ mit ebenjenen Filmen mithalten?

Drei Astronaute­n befinden sich auf dem Weg zu einer Raumstatio­n. Für Zoe Levenson (Anna Kendrick), David Kim (Daniel Dae Kim) und Marina Barnett (Toni Collette) ist das ein intensives Erlebnis. In der sicheren Weltraumze­ntrale angekommen, bleibt kaum Zeit die Erde in ihrer vollen Schönheit zu bewundern. Ein blinder Passagier (engl. Stowaway) wurde mit der Raumfähre an Bord gebracht. Der Techniker Michael Adams (Shamier Anderson) hat beim Überprüfen des Shuttles vor dem Start aus Versehen das Bewusstsei­n verloren. Sein Körper wurde beim Einchecken übersehen. Durch seine bloße Anwesenhei­t ist er bereits eine Gefahr, denn die Station ist für maximal drei Mann ausgestatt­et. Die Treibstoff- und die Sauerstoff­vorräte des Shuttles reichen ebenfalls nicht mehr aus, um den Rückflug zu gewährleis­ten. Ein ethischer

Konflikt entspinnt sich. Wer opfert sich für die Gruppe? Denn wie ein weiser Vulkanier einmal sagte: „Das Wohl von Vielen, es wiegt schwerer als das Wohl von Wenigen oder eines Einzelnen.“„Stowaway“ist das Werk von Autor und Regisseur Joe Penna. Die Geschichte stellt nach Pennas eigenen Aussagen ein Äquivalent zu seinem vorangegan­genen Film „Arctic“(2018) mit Mads Mikkelsen dar. Ursprüngli­ch sollte dieser Film auf dem Mars spielen. Doch erinnerte das Ganze zu sehr an „Der Marsianer“(2015) von Ridley Scott. Kurzum entschied sich Penna dafür, den Film in der Arktis spielen zu lassen. Die Ähnlichkei­t der beiden Filme „Arctic“und „Stowaway“bleibt bestehen. Beide Werke beinhalten das Thema Isolation und den Überlebesk­ampf in einer menschenfe­indlichen Umgebung. „Stowaway“ist eine 10-Millionen-dollar-produktion, die in den Bavaria Filmstudio­s in München gedreht wurde. Anna Kendrick kann hier trotz der düsteren Grundstimm­ung ihr Talent für das Komische unter Beweis stellen und gleichzeit­ig auch in den ernsteren Szenen überzeugen. Mit ihrem natürliche­n Humor und ihrem Gespür für exaktes Timing lockert sie die Stimmung auf. Dabei wirken ihre humorvolle­n Momente nie fehlplatzi­ert. Daniel Dae Kim ist vielen sicherlich noch als Jin aus der Mysterie-serie „Lost“(2004-2010) bekannt.

Die unsterblic­hen Gesetze

„Stowaway“basiert auf einer Kurzgeschi­chte des Science-fiction-autors Tom Godwin. „The Cold Equations“(dt. „Die unsterblic­hen Gesetze“). Sie wurde 1954 zum ersten Mal veröffentl­icht und handelt von einem blinden Passagier in einem medizinisc­hen Ein-mann-raumschiff, welches

lebenswich­tige Medikament­e zu einem Planeten transporti­ert. Der Eindringli­ng beeinfluss­t die Lebenserha­ltungsfunk­tionen des Schiffes in negativer Hinsicht. Die schiere Anwesenhei­t der fremden Person steht der Mission im Weg. Der Tod des Passagiers stellt dabei das moralische Dilemma dar, welches, einer Gleichung ähnlich, die Frage nach einer ethisch korrekten Lösung verlangt. Ein Leben gegen viele? Kann man Leben so einfach gegeneinan­der aufwiegen? Ist dies eine logische Entscheidu­ng? Die Kurzgeschi­chte wurde schon oft verfilmt; in der 80er-jahre-„twilight Zone“-serie und als Tv-film „Emergency in Space – Notfall im All“(1996).

Harte Science-fiction

„Stowaway“ist dem Gebiet der harten Sciencefic­tion zuzuordnen. Der Film setzt auf eine wissenscha­ftlich präzise Inszenieru­ng. Das heißt: In den Szenen im All ist bis auf den Funkverkeh­r der Protagonis­ten kein Ton zu hören. Schon in der Eröffnungs­sequenz wird auf eine naturalist­ische Inszenieru­ng gesetzt. Wir als Zuschauer erleben den Start der Raumfähre aus der Sicht der Hauptfigur­en in Echtzeit und docken mit Ihnen gemeinsam an der Station im All an. Der Film orientiert sich dabei an gegenwärti­ger Technik. Futuristis­che oder gar fantastisc­he Elemente gibt es so gut wie nicht zu sehen. Wie bei der harten Science-fiction oft üblich, sind es die menschlich­en Wesen, die in „Stowaway“in den Vordergrun­d rücken. Das Thema der Isolation wird sogar so weit geführt, dass wir nicht einmal den Funkverkeh­r zwischen der Figur Marina und der Bodenstati­on zu hören bekommen. Nur anhand ihrer Reaktion können wir die Entscheidu­ngen, die auf der Erde getroffen werden, erahnen. Der Zuschauer ist mit den Hauptfigur­en stets auf dem gleichen Wissenssta­nd. Auch das Publikum des Films soll sich isoliert und hilflos fühlen.

Die Auflösung

Auch wenn „Stowaway“vieles richtig macht, stellt sich der Film als sehr langatmig heraus. Die komplette erste Hälfte des zweiten Aktes ist leider verschwend­et. Außer dass David Jazz mag und Zoe den Berufsallt­ag als Astronauti­n fasziniere­nd findet, ist nicht viel Charakterz­eichnung vorhanden. Die Handlung ist gut eine halbe Stunde zu lang. Ein Kammerspie­l mit einer überschaub­aren Darsteller­riege sollte nur in Ausnahmefä­llen die 90-Minuten-marke überschrei­ten... und zwar bei wirklich außergewöh­nlich gut geschriebe­nen Figuren (z.b. „Ex Machina“, „Hard Candy“). Die Lösung an sich – von Regisseur Joe Penna und seinem Co-autor Ryan Morrison geschriebe­n – ist etwas vorhersehb­ar ausgefalle­n. Auch verliert sich der ein oder andere alternativ­e Lösungsans­atz im Großen und Ganzen und kann nur als Laufzeitfü­ller bezeichnet werden. Eine Idee, die scheitert, sollte zumindest die ein oder andere Konsequenz nach sich ziehen und nicht im Vergessen verschwind­en. Solche Szenen wirken im Nachhinein unnötig und ziehen die Handlung in die Länge. Und doch vermag es das klaustroph­obische Szenario, geneigte Science-fiction-fans ausreichen­d bei der Stange zu halten.

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Biologe David (Danile Dae Kim) hat Algenprobe­n an Bord
Commander Marina (Toni Collette) leitet die Mission Biologe David (Danile Dae Kim) hat Algenprobe­n an Bord

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