Der Räuber Hotzenplotz
Wer weiß heute noch, was ein Klafter ist? Oder eine Unke? … Und zieht heute eigentlich noch irgendwer Schnupftabak durch die Nase? … Die älteren Semester werden sich, je nach Geburtsjahr, womöglich noch erinnern. In den Nachwendegenerationen wird aber kaum verbreitet sein, dass ein Klafter eine Längeneinheit für Holz ist oder eine Unke quasi eine große dicke Kröte … Außer, es wurde in der Kindheit Otfried Preußlers „Der Räuber Hotzenplotz“gelesen, gehört oder eine der zahlreichen Verfilmungen gesehen. Dann dürfte auch der Schnupftabak, von dem der Hotzenplotz immer so gewaltig niesen muss, noch nicht der Vergessenheit anheim gefallen sein.
Das Vermächtnis von Otfried Preußler
Es spricht für die zeitlose Qualität von Preußlers Kindergeschichten – trotz schlesischem Lokalkolorit – dass diese seit mehr als einem halben Jahrhundert gepflegt und regelmäßig neu aufgelegt werden. 2013 wurde zuletzt „Das kleine Gespenst“verfilmt. „Die kleine Hexe“flimmerte mit Karoline Herfurth 2018 wieder auf den Kinoleinwänden. Dazu gesellen sich diverse Buchauflagen, Theateraufführungen und Hörspiele. Auch „Der Räuber Hotzenplotz“ist einer von Preußlers Evergreens und durch zig Inkarnationen gewandert. Schon 1966, vier Jahre nach der erstmaligen Buchveröffentlichung, brachte die Augsburger Puppenkiste das Kinderabenteuer ins Fernsehen. 1974 schlüpfte dann der einmalige Gerd „Goldfinger“Fröbe in die Rolle des böhmischen Wegelagerers. 2006 wurde dieses Vergnügen Armin Rohde in einem weiteren Kinofilm zuteil, in dem sich auch Piet Glocke, Rufus Beck und Katharina Thalbach die Klinke in die Hand gaben. Für die aktuelle Adaption ist nun der Wiener Nicholas Ofczarek an der Reihe, der als lethargischer Kommissar Gedeon Winter in der deutsch-österreichischen Krimiserie „Der Pass“an der Seite von Julia Jentsch bekannt ist.
Hotzenplotz, Plotzenhotz, Lotzenpotz
Im Wesentlichen werden hier die ersten zwei Preußler-bücher („Der Räuber Hotzenplotz“und „Neues vom Räuber Hotzenplotz“) in einer Filmhandlung zusammen gemixt. So müssen Kasperl und Seppel (Hans Marquardt und Benedikt Jenke) nicht nur die gestohlene Kaffeemühle ihrer Großmutter (Hedi Kriegeskotte) vom Hotzenplotz (Ofczarek) zurückholen und dabei dem kartoffelsüchtigen Zauberer Petrosilius Zwackelmann (August Diehl) das Handwerk legen. Später wird besagte Großmutter vom Hotzenplotz noch entführt und Wachtmeister Dimpfelmoser (Olli Dittrich) nimmt mit Hilfe der Hellseherin Frau Schlotterbeck (Christiane Paul) die Fährte auf. Diese Verdichtung zweier Bücher kann der Originalerzählung zwar nicht exakt treu bleiben, funktioniert aber insgesamt ganz gut und erfreut Kenner mit vielen bekannten Details. Dabei ist generell die Liebe zur Vorlage spürber. Die Kamera orientiert sich an ikonischen Illustrationen – zum Beispiel wenn Hotzenplotz verstohlen über den Gartenzaun oder Fensterrand lugt samt seines markanten schwarzen Hutes mit der Feder und der roten Schärpe. Ofczarek spielt den verschlagenen wie dümmlichen Räuber genau richtig. Seine überzogene Mimik, das drollige Grummeln, Schnaufen und Brabbeln, sowie sein ausschweifendes Gebaren bringen die passende Dosis überspitzte, kindgerechte Komik. Das gilt im Wesentlichen auch für die anderen Schauspielerinnen und Schauspieler. Das bereits angesprochene, altmodische Preußler-vokabular ist nach wie vor charmant und eigentlich auch noch gut verständlich – die Filmemacher stolpern jedoch hin und wieder recht ungeschickt darüber. Sei’s drum. „Der Räuber Hotzenplotz“macht auch mit Ofczarek, Dittrich, Kriegeskotte, Diehl und Co. wieder Spaß und ist der Vorlage angemessen nahe.