AUF LESETOUR UNTERWEGS MIT: Lizzie Doron
Als Moderatorin ist Margarete von Schwarzkopf unterwegs im Namen der Literatur. In dieser Kolumne schreibt sie über ihre Begegnungen mit den begehrtesten Stars und den aufregendsten Newcomern der großen weiten Bücherwelt.
Das Café Blue Movie in Osnabrück ist überfüllt. Mehr als 160 Zuhörer sind gekommen, um Lizzie Doron zu erleben. Die israelische Autorin, 1953 in Tel Aviv als Kind von Holocaust-Überlebenden geboren, stellt ihr jüngstes Buch „Sweet Occupation“vor, dass ihr in ihrer Heimat viel Unbill beschert hat. Im Mittelpunkt stehen fünf Mitglieder der sogenannten „Friedenskämpfer“, darunter ehemalige Terroristen und israelische Kriegsdienstverweigerer. „Das Buch erscheint nicht in Israel, da es ein Plädoyer für das Zusammenleben von Juden und Arabern ist und versucht, die Geschichte der Palästinenser aus der Sicht von Betroffenen zu beschreiben. Meine These, dass wir einander zuhören sollten und statt Waffen Kommunikation benutzen müssen, passt nicht in die derzeitige politische Stimmung im Land“, erklärt die Autorin. „Für mich bedeutet dieses Buch eine Mission. Ich will damit für Verständnis und Toleranz werben. Dafür zahle ich einen hohen Preis, indem ich zu Hause auf Ablehnung stoße.“
Zehn Tage pro Monat wohnt Lizzie Doron in Kreuzberg, wo sich das Ehepaar Doron vor einigen Jahren eine kleine Wohnung gekauft hat. Hier treffen sich gelegentlich auch israelische Freunde mit Lizzies palästinensischen Bekannten. „Ein Friedensforum auf unterer Ebene“, erklärt sie. „Sweet Occupation“entstand als eine Art Fortsetzung ihres 2015 erschienenen Buches „Who the fuck is Kafka“, in dem Lizzie Doron von ihrer Freundschaft mit einem palästinensischen Filmemacher erzählt. Auch in „Sweet Occupation“geht es um Vorurteile und Hass und den Versuch, dies zu überwinden. Immer wieder fügt Lizzie Doron in ihr neues Buch ihre eigenen Zweifel, Ängste und Erinnerungen an ihre von den häufigen Kriegen in ihrem Land geprägte Jugend ein. „Alle Textstellen, die sich mit den Palästinensern und den israelischen Mitgliedern der Friedensorganisation befassen, sind authentisch bis ins letzte Detail. Diese Menschen haben mir ihre Geschichten anvertraut. Mein biografischer Rückblick dagegen ist eine literarische, gelegentlich fiktive Mischung aus Gefühlen und Erinnerungen.“
In fünf Büchern hat sich Lizzie Doron, deren Eltern nach Kriegsende aus Polen in das „Gelobte Land“eingewandert waren, mit der Geschichte der Überlebenden und der zweiten Generation der Einwanderer befasst. Der Schatten der Shoa aber laste noch immer auf ihrem Land, sagt sie. „Unsere tief verwurzelten Ängste, dass wir von Feinden umringt sind, die unseren Tod wünschen, scheinen Teil unserer DNA zu sein. Aber irgendwann müssen wir lernen, diese Angst zu beherrschen, sonst werden wir nie Frieden finden“, meint die Autorin.
Das Publikum in Osnabrück war von der Autorin zutiefst beeindruckt, die neben den vielen dramatischen Geschichten rund um ihr Buch auch mit vielen Anekdoten aufwartete. Es wurde viel gelacht an diesem Abend. Das war ganz im Sinne der Autorin: „Humor ist auch eine Waffe. Was mich bei den einstigen Terroristen, heute engagierten Freiheitskämpfern, überrascht hat, war ihr Sinn für Humor und für Ironie. Das Gefängnis bezeichnen sie als Universität, da sie dort Sprachen und Literatur kennengelernt haben, die Besatzung bezeichnen sie wunderbar ironisch als ‚süß‘.“
Trotz aller Widerstände gegen ihr Buch in Israel wird Lizzie Doron weiter über ihr großes Thema der Aussöhnung zwischen den verfeindeten Nationen schreiben. „Ich habe noch Träume, und selbst wenn mein Optimismus unrealistisch wirkt, werde ich weiter hoffen. In Deutschland, meiner neuen zweiten Heimat, finde ich dabei viel Unterstützung.“Der Abend endete mit Lizzie Dorons Versprechen, ihre Mission nicht aufzugeben – „selbst wenn ich meinen Status als eine der erfolgreichsten israelischen Autorinnen der vergangenen 20 Jahre in meiner Heimat damit endgültig einbüße.“In Deutschland muss sie das nicht befürchten.