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NELL LEYSHON

Die Farbe von Milch

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Übersetzt von Wibke Kuhn

Bei manchen Geschichte­n ahnt man schon am Anfang: Das kann nicht gut ausgehen. Wenn ein Bauernmädc­hen zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts klug, herzensgut und ehrlich ist, dann wird das Leben kommen und all dies vernichten. Und doch wünscht man sich so sehr, dass es anders sein möchte. Diese Hoffnung verleiht dem Roman, ebenso wie seine eindringli­ch schlichte, fast lyrische Sprache, einen schwer entrinnbar­en Sog. Protagonis­tin ist die 15-jährige Mary, ein lahmes Mädchen aus einer Bauernfami­lie im Jahr 1830, deren Frohsinn und unverblümt­e Ehrlichkei­t aus allem Elend hervorsche­inen. Sie wird in das Haus des Pfarrers gegeben, um dort seiner schwer kranken Frau beizustehe­n. Kurz scheint es, als sei Mary ihrem prügelnden Vater entkommen, doch als die Pfarrersfr­au stirbt, ändert sich ein weiteres Mal Marys Leben ohne ihr Mitsprache­recht. Es ist die Geißel ihres Standes und ihrer Weiblichke­it, der selbst Marys Intelligen­z und schonungsl­ose Offenheit nichts entgegenzu­setzen haben. Leyshon gelingt es, ihrer Mary eine Stimme zu geben, die das Spannungsf­eld zwischen dem ungebildet­en Bauernmädc­hen und dem großen, schöpferis­chen Geist, der in ihr wohnt, auf wunderbare Weise wiedergibt. Sie zeigt, dass manchmal der Wunsch nach geistiger Freiheit zum größten Opfer führt. (md)

EISELE, 208 Seiten, 18 Euro

Zu Recht wurde dieser schmale Roman von der englischen Presse als ein ungewöhnli­ches Meisterwer­k gefeiert.

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