INTERPRETATIONSSACHE: EIN GEDICHT
Für das BÜCHERmagazin ist Dr. Björn Hayer stets auf der Suche nach der poetischen Kunst des Augenblicks und interpretiert in jeder Ausgabe ein ausgewähltes Gedicht.
EIN FISCH, DER DENKT
Arezu Weitholz‘ Gedichte führen uns in das Innere der Tiere und plädieren für Respekt und Empathie: Die Debatte um Tierrechte hält längst Einzug in die Literatur, erfreulicherweise auch verstärkt in die Lyrik. Mit „Der Fisch ist ein Gedicht“hat Arezu Weitholz den Meeresbewohnern einen ganzen Band gewidmet. Statt eines Filets hat der Mensch nun ein Wesen mit Seele vor Augen. Und dennoch scheint er blind. Lediglich ein anonymes „man“tritt dem Goldfisch im vorliegenden Gedicht gegenüber, bezugslos und distanziert. Nah wird uns nur der Fisch, der uns als Subjekt mit seinen Träumen und seiner tiefen Verzweiflung gegenübertritt. Indem sich die Dichterin eintöniger Jamben, „Und“-Hauptsätzen und fast durchgängiger Kreuzreime bedient, gibt sie der Monotonie und Ausweglosigkeit des immerselben Kreisens im Glas eine überzeugende Form. Nicht immer trifft der lapidare Ton dieses Bandes die Ernsthaftigkeit des ethischen Problemfelds heutiger Mensch-TierBeziehungen. Doch stellen die Gedichte, die etwa den Konsum tierischer Produkte ironisch infrage stellen, einen einfallsreichen Versuch dar, eine Sprache für jene Geschöpfe zu finden, die ihre Interessen selbst nicht artikulieren können.