Vom Sehen und Wahrnehmen
Barbara Alberts Film „Licht“
Verschwommene, rätselhafte Bilder erscheinen auf der Leinwand. Es folgt eine Nahaufnahme von einer jungen Frau, die mit turmhoher Perücke in Rokoko-Garderobe an einem Klavier sitzt. Ihre Augen sind gerötet, entzündet und verdreht, sofort ist zu bemerken, dass mit ihrem Sehen etwas nicht stimmt. Zu hören ist indes ein virtuoses Klavierspiel. In den anschließenden Applaus mischen sich dann mahnende Worte: „Nicht so wackeln! Du wackelst schon wieder!“Dazu sind die Reaktionen der Zuhörer zu sehen, sie reichen von Faszination über Mitleid bis hin zu Spott. Bei der jungen Frau handelt es sich um Maria Theresia von Paradis (Maria Dragus), die von ihren Eltern der Wiener Gesellschaft vorgeführt wird. Sie gilt als Wunderkind – und weil sie nicht nur talentiert, sondern auch blind ist, bekommt sie von der Kaiserin Maria Theresia eine Gnadenrente. Im Alter von drei Jahren konnte sie plötzlich nicht mehr sehen, seither haben ihre Eltern sie zu verschiedensten Behandlungen geschickt, die bisher erfolglos waren, und lediglich zu Nebenwirkungen wie eitrigen Ekzemen auf dem Kopf führten. Nun wird sie von ihren Eltern zur Kur in das Palais von Franz Anton Mesmer (Devid Striesow) gebracht, der mit einer Behandlung mit magnetischem Fluidum – einer unsichtbaren Flüssigkeit – Besserung verspricht. Manchen gilt er als Scharlatan, tatsächlich aber verbessert sich Resis Zustand. Sie beginnt, Gegenstände, Formen und Farben wahrzunehmen. Jedoch scheint sie mit zunehmender Sehkraft die Virtuosität ihres Klavierspiels zu verlieren.
„Wer nicht sehen kann, wird nicht gesehen. Wer nicht gesehen wird, wird auch nicht gehört“, verkündet Resi zu Beginn der Behandlung überzeugt – und dieser Film führt schmerzlich vor, wie sehr es auf ihr Leben zutrifft. Immer wieder wird über sie gesprochen, als sei sie gar nicht da. Jeder gibt ihr das Gefühl, dass sie lediglich aufgrund ihres Klavierspiels etwas wert sei – ihrem Vater geht es um die Gnadenpension, ihrer Mutter um das Ansehen der Leute. Erst durch die Kur begegnet sie anderen Menschen, der gleichaltrigen Agnes (Maresi Riegner) etwa, die ihr als Kammerzofe hilft und eine Freundin wird, und auch Mesmer selbst, der mit Handbewegungen und Gruppensitzungen wenigstens dafür sorgt, dass Resi sich entspannt. Darüber hinaus verweist Regisseurin Barbara Albert aber immer auch darauf, dass es nicht nur Resis Blindheit ist, die dafür sorgt, dass sie nicht wahrgenommen wird: Agnes ist als Dienerin ebenfalls unsichtbar für viele, sie muss die Übergriffe höhergestellter Männer stumm ertragen und letztlich die Konsequenzen alleine hinnehmen. Hier mischt sich der Blick auf die hierarchische Gesellschaft und den Realismus der Zeit mit den verschwommenen Aufnahmen von Resis ersten Blicken, hier zeigt sich deutlich die Stärke der Inszenierung, in der Kostüm, Maske und Ausstattung die Zeit vortrefflich einfangen, ohne im Pomp zu schwelgen, und die Kamera auf Unterschiede in Stand und Wahrnehmung aufmerksam macht. Damit wird „Licht“zu einem interessanten Film über die Emanzipation einer Frau, die versucht, sich aus dem Korsett der Zeit zu befreien.
Barbara Albert widmet sich in „Licht“einer Episode aus dem Leben der Pianistin und Komponistin Maria Theresia von Paradis.