REBECCA SOLNIT: DIE MUTTER ALLER FRAGEN
Mit ihrem Essay „Wenn Männer mir die Welt erklären“traf Rebecca Solnit 2008 einen Nerv, der weltweit zuckte und sogar zu der neuen Wortschöpfung „Mansplaining“führte. Und obwohl Solnit immer bedacht ist, kein Schubladendenken gegenüber Männern zu befördern, sondern auf ihre ebenso scharfsinnige wie humorvolle Art über strukturelle Gender-Problematiken in soziologischen und kulturellen Kontexten schreibt, freut sie sich inzwischen über diese Schöpfung. Weil sie die Macht der Sprache zeigt und zeigt, was Sprache mit uns macht, wenn es keine Wörter für eine Erfahrung gibt, die offensichtlich weltweit sehr viele Frauen teilen. Deshalb erforscht sie in dem komplexesten Essay in ihrem neuen Buch ebendies. In „Das Schweigen wird gebrochen“erzählt und durchdenkt sie den „Ozean des Ungesagten, des Unsagbaren, Unterdrückten, Ausgelöschten und Ungehörten“. Denn, wer Gehör findet und wer nicht, definiert der Status quo und den entlarvt und zerpflückt Solnit in ihrer kurzen Geschichte des Schweigens, die ebenso den Kampf für Frauen- und Minderheitenrechte im letzten Jahrhundert reflektiert. Ich bewundere Rebecca Solnit für ihre Neugier, ihre Leidenschaft, mit der sie Sprachmuster erkundet und neue Wortwelten findet – denn nur wenn wir neu definieren, wem wir zuhören und wertschätzen, haben wir auch eine Chance, unsere Gesellschaft und ihre Werte neu zu definieren. (ts)