S. Mancuso Pflanzenrevolution (Buch)
Sie sind die Wurzeln unserer Existenz und helfen im Weltall unsere Zukunft zu verankern – zwei Sachbücher, die unsere Sinne schärfen für die faszinierende Pf lanzenwelt, die uns umgibt.
Wir nutzen in unserem Alltag mehr als 31 000 Pf lanzenarten. Die meisten zu medizinischen Zwecken, andere als Textilfasern und Baumaterial. Wieder andere als Energiequellen und für unsere Ernährung. Kurzum: Pf lanzen sind aus unserem Alltag nicht wegzudenken. Das zeigen die zwei Autoren Stefano Mancuso und Emanuele Coccia auf sehr unterschiedliche Weise.
Mancuso ist Biologe und ein international renommierter Pf lanzenforscher. Sein knappes, wunderbar bebildertes Buch „Pf lanzenrevolution – Wie die Pf lanzen unsere Zukunft erfinden“macht mit elementaren, aber faszinierenden Funktionsweisen der Pf lanzenwelt vertraut. Etwa die verblüffende Fähigkeit scheinbar fragiler und zarter Wurzeln mithilfe von Zellteilung und Zellvergrößerung, den Asphalt, Beton und sogar Granit zu sprengen.
Pf lanzen haben kein Gehirn. „Trotzdem können sie ihre Umgebung sensibler wahrnehmen als Tiere, aktiv um begrenzte Boden- und Luftressourcen kämpfen, Situationen zuverlässig beurteilen, raffinierte Kosten-Nutzen-Rechnungen durchführen und angemessen auf Umweltreize reagieren“, schreibt Mancuso. Und fesselt seine Leser mit schönen Beispielen. So kann eine Mimose lernen, dass ein kurzer Fall im Blumentopf ungefährlich ist – und schließt ihre Blätter dann nicht mehr.
Die meisten Leser werden bereits bei der Lektüre der ersten sieben Kapitel Spannendes erfahren – aber die letzten zwei Kapitel werden sie verblüffen. Hier kommt Mancuso auf das Titelthema seines Buches zu sprechen: Wie der Anbau jener Pf lanzen, die essenziell für unser Überleben sind, in Zukunft aussehen wird – sowohl auf der Erde, die von wachsender Wasserknappheit und Klimaschwankungen bedroht ist, als auch im Weltall, wo Pf lanzen bei der Reise zum Mars und seiner Kolonialisierung eine wichtige Rolle spielen sollen.
Klingt nach Sci-Fi und Hollywood-Blockbustern? Ist es nicht. Mancuso trägt als Forscher zu entspre
chenden Studien bei und teilt seine Beobachtungen. So reichen bereits 20 Sekunden sogenannter Mikrogravitation (annähernde Schwerelosigkeit, wie sie im Weltall existiert) –, schon verändern Pf lanzen die Signale in ihren Reaktionsketten. Dank Mancusos hervorragendem wie unterhaltsamem Buch bekommt der Leser eine neuartige Sicht auf die Pf lanzenwelt.
Coccias Buch ist dagegen schwerfälliger: „Die Wurzeln der Welt“ist eine philosophische Abhandlung über die Pf lanzenwelt. „Von seltenen Ausnahmen abgesehen beschäftigt sich die Philosophie seit mehreren Jahrhunderten nicht mehr mit der Natur“, kritisiert Coccia – und versucht mithilfe seiner Lektüre, etwas daran zu ändern.
Er greift elementares Wissen auf – etwa die Tatsache, dass wir ohne Pf lanzen nicht existieren könnten, weil sie den Sauerstoff herstellen, den wir zum Überleben brauchen. Manchmal kleidet der Autor dieses Wissen lediglich in philosophische Rhetorik. Etwa: „Dank den Pf lanzen wird die Erde endgültig zum metaphysischen Raum des Atems.“Manchmal eröffnet er wiederum eine erfreulich profunde Perspektive auf die Pf lanzenwelt. Etwa, wenn er über ein Samenkorn schreibt.
Trotz qualitativer Schwankungen ist Coccias Buch wertvoll – weil es den Respekt vor Pf lanzen fördert, indem es daran erinnert: Der Mensch ist ein Nebenprodukt der Photosynthese. Weder Mensch noch Tier würden existieren, hätten Pf lanzen nicht über Millionen Jahre hinweg dank ihrer Stoff- und Energieumwandlung den Planeten für uns alle lebensfreundlich gestaltet.