Eyal Megged im Interview
Ein Gespräch mit dem israelischen Schriftsteller Eyal Megged zu seinem neuen Roman, in dem er auch die Identitätskrisen seiner eigenen Vaterrolle verarbeitet.
Eyal Megged, 1948 geboren, ist eine der intellektuellen Stimmen Israels, er schreibt Romane und Kolumnen für die großen israelischen Tageszeitungen. Er ist verheiratet mit der Bestsellerautorin Zeruya Shalev, mit der er einen leiblichen und einen adoptierten Sohn hat. Im Mittelpunkt seines tiefgründigen und vielschichtigen Romans „Oschralien“steht Hillel, ein Musiker Ende 50. 30 Jahre lang war er verheiratet, mit Alice, die ihn wegen eines jüngeren, italienischen Komponisten verlassen hat. Nach der Scheidung entsteht aus einer kurzen Ferienromanze mit der Tierärztin Anat ein Sohn, an den Hillel sich nicht binden will. Jahre später bittet ihn Anat, nach Australien auf ihre Tierfarm zu kommen, der Sohn, inzwischen Teenager, habe Probleme. Hillel fährt nur widerwillig. Die Begegnung mit seinem Sohn wird zu einer Konfrontation mit sich selbst, mit seinem Leben und Krisen, seinen komplizierten Lieben, Sehnsüchten und Verletzungen, und seinen Ängsten zu versagen – als Mann und als Vater. Dem BÜCHERmagazin hat der Autor erzählt, was ihn persönlich bewegt hat, diesen Roman zu schreiben.
Wie viel von Ihnen selbst steckt in Ihrer Hauptfigur? Es ist eine schlechte Angewohnheit von mir, dass ich in all meinen Büchern aus meinem Leben eine Geschichte mache, oder dass ich mein Leben in eine Geschichte verwandle, was ja vielleicht dasselbe ist. In „Oschralien“erzähle ich die Geschichte einer späten Vaterschaft. Mein Held Hillel, ein Komponist, ähnelt mir in vielerlei Hinsicht, aber nicht in seiner Einstellung zum Vatersein. Im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit steht sein künstlerisches Leben, während für mich meine Kinder meine Erlösung sind. Deshalb bin ich ein hingebungsvoller Vater.
Im Gegensatz zu Hillel, der ein distanziertes Verhältnis zu seiner Tochter hat und seinem Sohn mit Abwehr begegnet.
Im Laufe des Buches wird Hillel mehr und mehr zum Vater eines Kindes, das er nicht wollte. Er wird mit dem Konflikt konfrontiert zwischen der eigenen Unabhängigkeit, die er immer gepflegt hat, und der Aufmerksamkeit, die er seinem Sohn widmet. Dieser Konflikt ist mir persönlich nicht fremd. Wie Hillel liegt es nicht in meiner Natur, Vater zu sein. Manchmal beneide ich Menschen, die keine Kinder haben, und ich frage mich, welche Sorgen sie wohl haben. Aber ein Kind zwingt dich, dem realen Leben zu begegnen und die Sonaten von Bach, in denen der Tod widerhallt, zu verlassen. Ein Kind bringt dich in eine positivere, leichtere Stimmung, es ermöglicht eine andere Form der Inspiration. Ein Kind ist das größte Gegenmittel zur Depression.
Ihr Held sieht seine Karriere als gescheitert; er muss sich damit begnügen, in marginalen avantgardistischen Ensembles mitzuspielen, während seine Frau eine weltbekannte Komponistin ist.
Die Beziehung zwischen Hillel und seiner Frau hat mir die Möglichkeit gegeben, mich mit dem Thema Erfolg zu beschäftigen und welchen Preis man dafür zahlt. Wie Hillel habe ich die Erfahrung gemacht, als „Herr Shalev“angesprochen zu werden, wenn ich meine Frau auf Lesereisen nach Europa begleitet habe. Zunächst, das muss ich zugeben, habe ich Bitterkeit empfunden, aber über die Jahre habe ich mich daran gewöhnt und mag es sogar. Es entspricht meinem wie Hillels Charakter, dass ich die Freiheit den Verpflichtungen vorziehe, die der Ruhm mit sich bringt. Erfolg ist eine große Last. Du schuldest deinem Publikum mehr, als du geplant hast, du hast eine Art von Übereinkunft mit ihm, die Art von Buch oder Musik zu liefern, die sich als erfolgreich erwiesen hat. Das ist sehr fordernd. Der weniger erfolgreiche Künstler ist – wie Hillel oder ich – frei wie ein Vogel, er kann sich selbst und seine Zeit genießen. Und was das Wichtigste ist: Er kann schreiben und komponieren, was immer ihm gefällt. Ich, für meinen Teil, genieße Zeruyas Erfolg mehr, als sie selbst es tut – für mich ist er eine Freude ohne Last. Ich bin dankbar für diesen Bonus und verspüre keinerlei Eifersucht.