Doppelbegabungen – Zwischen Bühne und Buchdeckel
Bühnenreife Kinderbuchautoren
Von Haus aus ist Ian Falconer Bühnenund Kostümbildner. Der amerikanische Künstler wurde von seiner damals dreijährigen Nichte inspiriert und hat in seinen kultigen Bilderbüchern mit dem selbstbewussten Schweinemädchen Olivia zuhauf Anspielungen zu Kunst und Kultur versteckt. Mal geht es um den Zirkus, dann um Musik und Architektur oder oft auch um Ballett. Er montiert Fotografien und Illustrationen zu einem originellen Stil. In Olivia spioniert spielt erneut das Ballett eine Rolle. Und wie Olivia sogar tatsächlich während der Vorstellung mitten auf die Bühne gelangt, das ist ein großes Amüsement für vorlesende Eltern wie zuhörende Kinder.
Von der Bühne zum Buch – auch diesen Weg gehen Geschichten zuweilen: Unterwasser kann man wundersame Walgesänge hören und dies wurde zum Thema eines sinfonischen Werkes für
Kinder. Autor, Illustrator und Hörbuchprofi Martin Baltscheit war Sprecher bei der Uraufführung von „52 Hertz – Der einsamste Wal der Welt“in der Tonhalle Düsseldorf. Dieser Wal existiert, er singt als Einziger auf einer Frequenz von 52 Hertz und wird so von den anderen nicht verstanden. „Bojan Vultic beschreibt das Meer, seine Bewohner und das Drama des Wales auf unnachahmliche Weise“, so Baltscheit. Die Sinfonie des Düsseldorfer Komponisten war ein Auftragswerk und die Idee, daraus auch ein Bilderbuch zu machen, entstand erst im Laufe des Projektes. Der einsamste Wal der Welt! lebt von klugen Worten und malerischen Bildern.
NEUE ROLLEN IM LEBEN
Auch bei Lorenz Pauli geben sich das Theater und die Literatur die Hand. Fell und Feder war zunächst eine Auftragsarbeit für argovia philhar
monic – komponiert von Charlotte Perrey und Rodolphe Schacher. Pauli hat sich die Geschichte von dem Huhn und dem Hund ausgedacht, die sich beide sehnlichst einen Freund wünschen, und das Libretto dazu geschrieben. Doch dann erschien das Bilderbuch noch früher als „Theater zwischen zwei Buchdeckeln“und wurde wie immer kongenial illustriert von Kathrin Schärer. „Schön wäre auch, wenn ein Kind und seine Erwachsenen sich beide Kanäle erschließen – die Oper und das Buch. Das muss nicht sein, lässt aber neue Facetten aufscheinen“, so Pauli dazu. Eine neue Rolle im Leben lässt einen mitunter auch ganz neue Facetten an sich selbst entdecken. In Die Reise zum Mittelpunkt des Waldes spielt Finn-Ole Heinrich das gekonnt durch. Zunächst als „Monolog für einen Reuber“in Spielplatz 30 (Verlag der Autoren) erschienen und von der Württembergische Landesbühne Esslingen uraufgeführt, erzählt der frischgebackene Vater nun in Romanform und mit grandiosen Illustrationen von dieser Aufgabe, auf die man sich eigentlich nicht vorbereiten kann. „Ich erzähle auf allen Kanälen Geschichten, aber die Arbeitszusammenhänge sind andere. Immer gut, wenn einem ab und zu mal ein Lüftchen durch den Kopf weht“, so Heinrich.
Ein einschneidendes Erlebnis, das ihr Leben und ihre beruf liche Lauf bahn geprägt hat, hatte Holly Goldberg Sloan, die mit Short – Manchmal wächst man über sich hinaus in diesem Herbst einen hinreißenden Kinderroman vorlegt. Aus einer kurzen Episode für eine Anthologie wurde ein kompletter Roman, nachdem ihre Mutter zu ihr meinte, dass sie noch mehr von diesem außergewöhnlichen Sommer erzählen sollte. „Ich war elf Jahre alt und sehr klein für mein Alter, als ich an dieser Theaterproduktion teilnehmen sollte, die mein Leben veränderte. Die erwachsenen Künstler sind uns Kindern während der Proben so auf Augenhöhe begegnet. Sie haben uns gefordert und unterstützt. Ohne diese Erfahrung wäre ich nie beim Film gelandet“, erinnert sich Sloan.
DRAMATIKER ERZÄHLEN
Gleich eine maßgeschneiderte Reihe verlegt der mixtvision Verlag unter dem Label „Dramatiker erzählen für Kinder“. Diese Bücher haben die beiden Kieler Jens Raschke und Jens Rassmus auf der Kinderbuchmesse in Bologna für sich entdeckt, nachdem sie auf der Suche nach einem Verlag für das Kindertheaterstück Schlafen Fische? waren. Jettes kleiner Bruder ist gestorben und sie versucht, damit zurechtzukommen. „Erst einmal musste ich viel kürzen und noch mal intensiv an den Text rangehen. Es gibt Übersetzungen in zehn Sprachen und das Stück wird auch oft im Ausland inszeniert“, so Raschke, der u. a. den Deutschen Kindertheaterpreis bekommen hat.
Eine feste Größe in der deutschsprachigen Theaterlandschaft ist auch Ulrich Hub, der ebenso im Kinderbuch zu Hause ist. Für Hub bietet die Prosa mehr Freiheiten, weil man so viele Figuren und Schauplätze wählen kann. „Schon ein einziger Ortswechsel verlangt im Theater einen langwierigen Umbau. In der Bühnenfassung findet die gesamte Handlung auf dem Feld statt und statt 13 Figuren im Kinderbuch gibt es nur zwei Schafe und einen Wolf.“Mit Das letzte Schaf legt er vermutlich eine der originellsten Weihnachtsgeschichten des Jahres vor. „Wenn ich überhaupt eine Weihnachtsstory schreibe, dann nur aus der Sicht der Schafe“, so hat er entschieden und sich dabei glatt selbst übertroffen.