Künstlerleben
Vier Comics über Kunst im Moment ihres Entstehens. Über Armut und Emanzipation, Entropie und harte Arbeit.
Vier Comic-Biografien
„AM LIEBSTEN WÜRDE ICH EINFACH WEGLAUFEN“
Viel Weißraum. Hohe Hallen, Glasfronten, Eisflächen, die sich nach allen Seiten auszudehnen scheinen, die Figuren verlieren sich darin. Tillie Walden erzählt ihre Jugend in Violett und Gold, den Farben ihres Eislaufkostüms. Zwölf Jahre lang hat sie Eiskunstlauf gemacht: Einzeltraining in den frühen Morgenstunden, Schrauben, Sprünge, Pirouetten. Acht Stunden Schule, danach Synchrontraining, abends Nachhilfe oder Cello-Unterricht. In jedem Panel dieses Comics wird eine tiefe Erschöpfung spürbar, unterbrochen von kurzen, rauschhaften Erfolgserlebnissen. Unter allem liegt eine große Sehnsucht. Danach, einfach in den Arm genommen zu werden, nach Wahrhaftigkeit und Freiheit. Dass sie lesbisch ist, weiß Tillie schon als kleines Mädchen. „Eiskunstlaufen stürzte mich in einen seltsamen Zwiespalt“, erklärt die erwachsene Tillie aus dem Off. „Das Feminine daran stieß mich ab, gleichzeitig zog es mich an.“Wir erleben mit, wie Tillie sich in ihre Klassenkameradin Rae verliebt, sich outet und den Mut fasst, Nein zu sagen. Wie sie sich der Kunstform zuwendet, mit der sie jetzt so exzellent arbeitet, wird nur im Vorübergehen erwähnt. Für ihre Autobiografie wurde die 22-Jährige als bisher jüngste Künstlerin mit dem Eisner Award „Best RealityBased Work“ausgezeichnet. Und genau das ist „Pirouetten“: Alltag, bittersüß.
TILLIE WALDEN: Pirouetten Übersetzt von Sven Scheer Reprodukt, 400 Seiten, 29 Euro