Liebes … Selbst!
Als Biografieforscherin weiß Birgit Schreiber um die heilsame Kraft der Worte. In ihrem Buch „Schreiben zur Selbsthilfe“kombiniert sie Methoden, die sie unter anderem aus den USA mitgebracht hat, mit eigenen Ansätzen.
Interview mit der Biografieforscherin Dr. Birgit Schreiber
Was unterscheidet „Schreiben zu Selbsthilfe“vom Tagebuch führen?
Dieser Ansatz bringt ein Stück mehr Lenkung. Das hilft besonders Leuten, die mit freiem Schreiben überfordert sind. Bei mir ins Coaching kommen immer wieder Menschen, die sich in Depression und schwierige Themen hineinschreiben. Für bestimmte Gruppen ist es sogar richtig schädlich. Und so sind dann unter anderem Kathleen Adams in den USA oder Kate Thompson in Großbritannien darauf gekommen, Schreibaufgaben zu geben, eine Form und Struktur, die Halt bieten. Und so funktioniert auch der Ansatz, den ich in „Schreiben zur Selbsthilfe“entwickelt habe.
Was kann das Schreiben für sich selbst leisten?
Die Aufgaben im Buch basieren auf dem expressiven Schreiben. Das ist eine Methode, die der Psychologe James W. Pennebaker in den USA ausgiebig erforscht hat. Es ist inzwischen umfassend belegt, dass das gefühlsmäßige, tiefe Schreiben sich positiv auf die Gesundheit auswirkt. Das expressive Schreiben bietet eine Art Katharsis, dadurch, dass man alles noch einmal sagen kann. Man ist aufgerufen, seine Gefühle mit seinen Argumenten zusammenzubringen, das fördert die Integration der Erfahrung. Und es gibt, ganz nebenbei in den Übungen eingefügt, einen Perspektivwechsel.
Sie haben eine Fortbildung in Poesietherapie. Was ist das?
Man geht hier davon aus, dass Menschen erkranken, wenn sie sich nicht authentisch äußern, bewegen, schreiben, sprechen können. Eindrücke, denen wir im Leben unentwegt ausgesetzt sind, brauchen einen Ausdruck. Wenn das nicht mehr gelingt – etwa, weil wir zu oft kritisiert und zurechtgestutzt wurden –, kommt es zu einer Verhärtung im ganzen System. Und das verf lüssigt man, indem man sich wieder ausdrücken lernt. Die Sprache bietet sich da unglaublich an, weil wir die alle haben. Für Menschen, die gerne mit Sprache umgehen, ist sie so ein Heilmittel.
Analog zu den Übungen im Buch bieten Sie auch Workshops an …
Um die Gegenwart geht es in „Schreiben für die Seele“, da wird am Meer viel mit dem Körper gearbeitet, gemalt und geschrieben. Jeder kann experimentieren. Was passt für mich? Wie möchte ich denn schreiben? Das ist etwas, was viele ja auch gar nicht wissen. Was liegt mir? Witzigerweise kommen besonders gerne AutorInnen, die im Geschäft stecken und unter Produktionsdruck stehen. Hier gönnen sie sich eine Auszeit und schreiben nur für sich. Beim Memoir-Workshop, dem autobiografischen Schreiben, geht es darum, sich Zeit für die eigene Geschichte zu nehmen. Es geht darum, die eigene Stimme zu finden, Charaktere zu entwickeln und glaubhafte Dialoge. Und wie kriege ich das reflexive Element hinein? Denn der Reiz des Memoirs liegt darin, Szenisches und Beschreibendes mit Reflexion zu verbinden. Die Schreibenden kommen häufig zu einer überraschenden Sicht auf das eigene Leben und fühlen sich versöhnt. Um die Zukunft geht es in „Wünsche in Worte fassen“, da schreibt man sich erst das letzte Jahr von der Seele und erschreibt sich das nächste. Und natürlich die „Journal to the Self“-Seminare. All das findet sich ähnlich gegliedert auch im Buch.
Gibt es eine Frage der Teilnehmer, die immer wieder auftaucht?
Wann und wie finde ich Zeit für das Schreiben … Mein Ziel ist es, dass Menschen mit dem Schreiben eine heilsame Sucht entwickeln und erkennen, wie sie ganz leicht Zeit für das Schreiben finden können. Das spart viel Zeit, weil Menschen sich auf die Spur kommen und bewusster durch das Leben gehen.