Die Bestseller-DNA
Auch im Buchmarkt ist die künstliche Intelligenz auf dem Vormarsch: ein Gespräch mit dem Hamburger Start-up QualiFiction über Algorithmen, die das Verlagsgeschäft verändern werden.
Das Start-up QualiFiction
Die Geschichten von Bestsellern, die beinahe nie erschienen wären, sind legendär: „Harry Potter“hätte es beispielsweise wohl nie gegeben, hätte ein Verlagschef das Manuskript nicht zufällig seiner Tochter gegeben. Nun verspricht eine Software Abhilfe: Das Start-up-Unternehmen QualiFiction hat einen Algorithmus entwickelt, der zukünftige Bestseller entdeckt.
Vor ungefähr zwei Jahren hatte Gesa Schöning, Geschäftsführerin von QualiFiction, die Idee, eine Software zu entwickeln, die Buchtexte analysiert und untersucht, ob sie erfolgreich sein können. „Im Silicon Valley kam auch Forschung auf, die mit einem ähnlichen mathematischen Verfahren gearbeitet hat“, erzählt sie. „Damit war bekannt, dass es technisch möglich ist, Bücher nicht nur aus dem Bauch heraus auf dem Markt zu bringen, sondern dass man auch unter einem anderen Gesichtspunkt an sie herangehen kann.“Mittlerweile wurde von QualiFiction ein Algorithmus entwickelt, der Texte untersucht. „Im Prinzip haben wir es mit zwei Ebenen zu tun“, erklärt Ralf Winkler, Geschäftsführer von QualiFiction. „Auf
der deskriptiven Ebene gibt man der Maschine ein Werk und sie zerlegt es in seine Einzelbestandteile, also elementarische literarische Merkmale, wie zum Beispiel Thematik, Spannungsbogen, Komplexität der Sprache und der Geschichte. In einem zweiten Schritt bieten wir dann eine Vorhersage an, wie konkurrenzfähig das Werk ist – auch im ökonomischen Sinne.“
Dieser Bestsellerscore ist eine Einsatzmöglichkeit. „Wertvoll für einen Verlag sind auch die Merkmale des Werks. Wenn ich beispielsweise ein Verlag bin, der für sehr ernste Literatur bekannt ist, dann möchte ich vielleicht kein Buch herausbringen, das über allen Maßen hell und lustig ist. Oder wenn ich zu viele Elemente finde, die im Bereich Teenager und erste Liebe angesiedelt sind, die zu meiner Zielgruppe gar nicht passen, dann kann ich von dem Manuskript Abstand nehmen“, sagt Winkler. Damit kann die Software wie ein Vorfilter eingesetzt werden, der die zahllosen Manuskripte, die ein Verlag erhält, einer ersten Prüfung unterzieht. „Am besten ist es, immer die Kombination aus beidem zu betrachten: einmal das reine Potenzial, das das Werk hat. Und dann eben auch die Frage, wie passt dieses Werk hinsichtlich der anderen Features zu meiner Zielgruppe, zu meinem Programm oder auch zu meinem Image als Verlag.“
Für die Zukunft sehen Schöning und Winkler noch weitere Einsatzmöglichkeiten. Sie wollen u. a. eine Abverkaufsvorhersage entwickeln, die einschätzt, wie viele Exemplare eines Buchs verkauft werden können. Auch für Autoren könnte die Software interessant sein: „Als Autor weiß ich nicht, ob ich eine Absage aufgrund des Textes bekomme. Vielleicht wurde er auch gar nicht gelesen“, erklärt Schöning. Die Software könnte helfen, das eigene Werk hinsichtlich der Innovativität, Stil und Qualität der Geschichte einzuschätzen. Wie weit KI den Verlagsalltag verändern wird, ist letztlich noch nicht absehbar. Aber sie kann helfen, die alltägliche Arbeit zu bewältigen. Und bei einigen Publikumsverlagen wird die Software bereits eingesetzt.
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