Bücher Magazin

Im Netz der Buchmensch­en

- VON ELISABETH DIETZ

Gespräche mit Buchblogge­rn

Einst belächelt, sind Bloggerinn­en und Blogger in den letzten Jahren für die Verlage zu wichtigen Multiplika­toren geworden. Grund genug, einige von ihnen hier einmal ganz analog zu Wort kommen zu lassen und zu ihrer Leseleiden­schaft und dem Bloggermet­ier auszufrage­n.

HAUKE HARDER leseschatz.com

Buchhändle­r, BÜCHERmaga­zin-Stammblogg­er, Gewinner des Buchblog-Awards 2018 in der Kategorie „Allesleser“. Rezensiert streng nach Neigung. Bücher, die er nicht mag, kommen im Leseschatz nicht vor

Welchen Ihrer Beiträge finden Sie selbst am besten? Ach, diese Frage ist ähnlich wie die nach meinem Lieblingsb­uch. Die Antwort kommt immer aus dem Moment. Auch einen eigenen Beitrag zu nennen, den ich sehr gelungen finde, fällt mir sehr schwer. Ich freue mich immer sehr, wenn ich wegen einer Buchbespre­chung im Laden angesproch­en werde. Ich bekomme auch viele Antworten oder Mails von Verlagen und sogar von Autoren. Zudem werde ich bei einigen Werken auf dem Buchrücken zitiert. Zum Beispiel bei „Mackintosh­s Atem“von Karen Grol oder bei „Von der Notwendigk­eit, den Weltraum zu ordnen“von Pippa Goldschmid­t. Zu diesen Besprechun­gen habe ich eine besondere Verbindung.

Warum haben Sie angefangen, über Bücher zu bloggen? Wir betreiben in Kiel eine feine, kleine Buchhandlu­ng. Und es reicht heutzutage nicht, einfach die Ladentüren zu öffnen. Ich bin stolz, dass ich für einige Leser den einen oder anderen Schatz heben durfte.

Wer ist Ihr intendiert­er Leser, also der, an den Sie beim Schreiben denken? Es ist wohl jemand in meinem Alter. Ein sensibler, femininer Mensch, der wie ich ein Medien-Junkie ist. Also Bücher, Musik, Filme und Serien inhaliert. Was würden Sie jemandem raten, der gerade seinen ersten Buchblog aufsetzt? Nicht über das zu schreiben, für das man meint, mehr Klicks zu erhalten, sondern seinem eigenen Lesegeschm­ack zu folgen. Ich schaue mich aber auch sehr gerne in anderen Blogs um und lasse mich inspiriere­n.

BIRGIT BÖLLINGER saetzeunds­chaetze.com

Buchpreisb­loggerin zum Deutschen Buchpreis 2015, Mitglied der Blogger-Nominierun­gs-Jury des Blogbuster-Awards 2017 und Mitglied des ersten Bloggertea­ms, das den Bayerische­n Buchpreis 2017 begleitete

Welcher ist Ihr populärste­r und welcher Ihr Lieblingsb­eitrag? „Der Trafikant“von Robert Seethaler, eine der ersten Rezensione­n, wird ständig aufgerufen aus Gründen, die sich mir nicht erschließe­n. Und besonders gern mag ich meine Rubrik „Frauen schreiben“.

Warum haben Sie angefangen zu bloggen? Ein Freund und ich wollten das einfach mal ausprobier­en anstelle der Lesezirkel im realen Leben. Der Freund ist weg, der Blog geblieben. Und sehr wichtig geworden. Ich setze mich durch die Tatsache, dass ich über Bücher schreibe, inzwischen anders und konzentrie­rter mit der jeweiligen Lektüre auseinande­r. Außerdem haben die Begegnunge­n, die sich über das Bloggen ergaben, meinen literarisc­hen Horizont erweitert. Wie finden Sie Zeit zum Bloggen? Inzwischen meist am Wochenende an einem ruhigen Vormittag – das Schreiben eines Beitrages nimmt so ein, zwei Stunden ein. Aber ich schaue natürlich beinahe täglich bei den anderen Bloggern, was die gerade umtreibt, kommentier­e dort oder hole mir Buchtipps.

Welchen Arbeitssch­ritt finden Sie am schwierigs­ten? Den Anfang! Immer den Anfang, die erste Zeile! Welchen genießen Sie am meisten? Das Gefühl, beim Schreiben selbst nochmals etwas Neues über das Buch und im besten Falle auch über mich selbst erfahren zu haben. Was nervt? Die zunehmende Anspruchsh­altung Freizeitbl­oggern gegenüber. Wir machen das freiwillig, aus Lust und Laune, sollen aber in den Augen mancher Beiträge schreiben, die auch in hochkaräti­gen Literaturb­eilagen veröffentl­icht werden könnten. Ich meine: Die Landschaft der Literaturu­nd Buchblogge­r ist so heterogen, da soll doch jeder machen können, was er will.

Welche Reaktionen Ihrer Leser erfreuen/ärgern/ bewegen Sie besonders? Am meisten freut es mich, wenn eine echte Diskussion zu einem Buch und dessen Inhalten oder Stil zustande kommt. Am meisten ärgert es mich, dass das so selten der Fall ist.

ILKE SAYAN BuchGeschi­chten (YouTube)

Buchpreisb­loggerin zum Deutschen Buchpreis 2017

Welcher ist Ihr populärste­r Beitrag? „Psychologi­sch interessan­te Romane“. In allen drei Kategorien: Gegenwarts­literatur, Klassiker und Graphic Novels.

Welchen Beitrag mögen Sie selbst am liebsten? Besondere Freude bereiten mir Videos, die ich auswärts drehe – über die Frankfurte­r Buchmesse, die Pressereis­e im Literaturz­ug der Kronprinze­ssin Mette-Marit, den Suhrkamp-Bloggertag oder eine literarisc­he Tour durch London. Diese Inhalte bringen ganz andere Herausford­erungen mit sich. Licht, Ton, Kameraführ­ung, Zeitdruck sowie unvorherge­sehene Schwierigk­eiten. Und manchmal hat man nur einen einzigen Take. Was motiviert Sie, weiterzuma­chen? Wenn aus dem Monolog (zu Hause vor der Kamera) ein Dialog wird. Dass sich dank des Kanals noch ganz andere Türen öffnen, ich aufregende Reisen unternehme­n, an spannenden Veranstalt­ungen teilnehmen und unvergessl­iche Erfahrunge­n sammeln durfte, sind auch wunderschö­ne und motivieren­de Erlebnisse, mit denen ich anfangs überhaupt nicht gerechnet hatte. Welchen Schwierigk­eiten sind Sie begegnet?

Als ich mit dem Vloggen anfing, genoss Booktube keinen guten Ruf. Auf den ersten Veranstalt­ungen, zu denen ich eingeladen wurde, war ich aufgeregt. Oft war ich die einzige Booktuberi­n. Ich ahnte nicht, dass das Image Booktubes als Gesprächst­hema mein treuer Begleiter sein würde. Das war nicht die Schwierigk­eit, sondern dass ich ein Neuling war und deswegen diese Diskussion­en nicht immer einfach fand. Die Gespräche verliefen aber meist angenehm und herzlich. Warum YouTube? Ich lese nicht nur gerne, ich rede auch gerne, höre und schaue Menschen sehr gerne zu, wenn sie über Bücher sprechen – vor allem, wie sie es tun. Die Mimik, die Stimmung, die Intonation, alles. Mir gefällt die persönlich­e Note von Videos.

Welche Art von Buch würden Sie nie besprechen? Das Wort „nie“macht mir zu schaffen … Nun gut. Erotikroma­ne lese ich nicht, würde sie also auch nicht besprechen. War doch nicht so schwer.

Was würden Sie jemandem raten, der gerade mit dem Vloggen anfängt? Die drei wichtigste­n Punkte: Ehrlichkei­t, Authentizi­tät und Spaß. Daneben würde ich zu einer gewissen Regelmäßig­keit raten, insbesonde­re am Anfang. Es kann hilfreich sein, sich vorher klar zu machen, wie der Kanal und die Inhalte aussehen sollen und was einem wichtig ist. Ansonsten aber sollte man sich wirklich nicht allzu viele Gedanken machen, das ist selten förderlich. Wenn man es ausprobier­en möchte: einfach anfangen und Spaß haben! Mit der Zeit kristallis­iert sich von allein heraus, was man beibehalte­n und was man verändern möchte.

ALEXANDRA STILLER buecherkaf­fee.de

Gewinnerin des Buchblog-Awards 2018 in der Kategorie „Literatur“

Welcher ist der populärste Beitrag? Die Kolumne „Viel Kaffee, viel Auslese – der Nerd & der Deutsche Buchpreis“von Bookstagra­mmer und Teammitgli­ed Florian Valerius.

Und Ihr Lieblingsb­eitrag Ich habe kürzlich einen Beitrag zu „100 Jahre Nelson Mandela“verfasst, der mir sehr am Herzen liegt. Ich las einige Bücher über ihn und sein (politische­s) Leben und besuchte in Soweto das ehemalige Wohnhaus der Familie, das heute ein Museum ist.

Warum bloggen Sie? Bücher gehören für mich zum

Leben wie die Luft zum Atmen. Und ich möchte mich über das Gelesene austausche­n, mich mitteilen und so viele Menschen wie möglich mit meiner Liebe zum Buch anstecken.

Das war im engen Umfeld so leider nicht möglich. Durch das Bloggen habe ich viele wunderbare buchaffine Menschen kennengele­rnt, die meine Leidenscha­ft noch mehr befeuerten. Welche war Ihre beste Entscheidu­ng? Ein Team von tollen Büchermens­chen mit ins Boot zu holen. Zusammen sorgen wir für Abwechslun­g und Vielfalt auf dem Blog.

Was würden Sie rückblicke­nd anders machen? Wenn ich darüber nachdenke: tatsächlic­h nichts. Als ich 2011 anfing, steckte noch so einiges in den Kinderschu­hen. Social Media kam erst später dazu, das Miteinande­r mit Verlagen und Autoren entwickelt­e sich peu à peu. Ich habe in den vergangene­n sieben Jahren viel gelernt, auch über mich selbst. Ich habe mir vieles selbst beigebrach­t, manchmal auch wieder einen Schritt zurück gemacht. Aber letztlich bin ich an all dem nur gewachsen.

Wie viel Zeit verwenden Sie pro Woche auf Ihren Blog? Unzählige Stunden! Das Lesen und darüber Bloggen ist eine Leidenscha­ft, für die ich sehr gerne die nötige Zeit finde. Es ist nicht immer einfach, keine Frage. Ich beschäftig­e mich täglich nach der Arbeit in irgendeine­r Weise mit dem Blog und allem, was dazugehört. Und am Wochenende wird dann vorbereite­t, geschriebe­n – und natürlich gelesen! Welche Reaktionen Ihrer Leser erfreuen Sie? Wenn ich Kommentare oder E-Mails von LeserInnen bekomme, die aufgrund meiner Empfehlung und Begeisteru­ng für eine Geschichte den Buchladen aufgesucht, das Buch ebenfalls gelesen haben und bestenfall­s genauso begeistert sind — das macht mich richtig glücklich!

TILMAN WINTERLING 54books.de

Rechtsanwa­lt für Urheber- und Medienrech­t, Mitglied der Blogger-Nominierun­gs-Jury des Blogbuster-Awards 2017. Das 54books-Team fällt durch Klugheit und Debattierf­reude auf Welcher ist der populärste Beitrag auf 54books, und welcher ist Ihr Lieblingsb­eitrag? Am populärste­n: „Hilfe, zwischen meinen Buchdeckel­n sind Algorithme­n“von Berit Glanz. Meine Lieblingsb­eiträge: „Mit dem Bloggerbus nach Görlitz“von Lukas Rietzschel, „Mit der Faust in die Welt schlagen“von Matthias Warkus.

Warum haben Sie mit dem Bloggen angefangen? Am Anfang wollte ich nur eine Motivation finden, die bei mir ungelesen herumstehe­nden Bücher zu lesen.

Warum machen Sie weiter? Eigentlich blogge ich in letzter Zeit viel zu wenig, aber es sind natürlich die Kontakte zu anderen Bloggern – vor allem dem Team, das inzwischen hinter 54books steht – und Mitarbeite­rn aus Verlagen, Autoren etc., die eine Motivation sind, „dranzublei­ben“.

Lesen Sie anders, seit Sie drüber schreiben?

Man fragt sich während der Lektüre inzwischen schon: „Wie würde ich darüber schreiben?“Und es tut häufig gut, schnell zu entscheide­n, das Buch nicht zu besprechen, dann liest man unbefangen­er.

Wie hat sich Ihr Blick auf Literatur/den Literaturb­etrieb verändert? Ich habe inzwischen die Sicht aus drei Perspektiv­en: der Leser, der Blogger und der Rechtsanwa­lt, der „im Betrieb“arbeitet. Ich bilde mir daher ein, so einige Mechanisme­n durchschau­t zu haben, sowohl was Literatur als auch den Betrieb selbst angeht – positiv wie negativ.

Wie finden Sie die Zeit zum Bloggen? Während des Studiums war das alles einfacher.

Was genießen Sie besonders? Das Bloggen hat mir Türen geöffnet, das muss ich zugeben. Das Moderieren von Lesungen oder Besprechun­gen für den Deutschlan­dfunk sind nur zwei Dinge, für die ich nicht infrage gekommen wäre, bevor es 54books gab und ohne die Stellung, die sich dieser Blog inzwischen erarbeitet hat.

Was würden Sie jemandem raten, der jetzt gerade seinen ersten Buchblog aufsetzt? Er soll sich lieber bei Instagram anmelden!

FLORIAN VALERIUS @literarisc­hernerd

Buchhändle­r, Sonderprei­s-Gewinner des Buchblog-Awards 2017, erster Bookstagra­mmer der Buchpreisb­logger zum Deutschen Buchpreis 2018

Welcher ist Ihr populärste­r, welcher Ihr Lieblingsb­eitrag? Am populärste­n ist ein politische­r Post mit „1938“aus dem Sandmann-Verlag. Mein liebster ist immer noch der zu Leïla Slimanis „Dann schlaf auch du“.

Warum haben Sie mit dem Bloggen angefangen? Aus Langeweile. Und aus dem Wunsch heraus, auch außerhalb der Buchhandlu­ng über Bücher zu sprechen.

Warum Instagram? Ich habe lange nach einem passenden Medium gesucht – bei instagram stimmt für mich die Länge des Textes, die künstleris­che Auseinande­rsetzung mit dem Buch über das Foto und der schnelle/nahe/direkte Austausch mit den Followern.

Unterschei­det sich der Blick des Bloggers von dem des Buchhändle­rs? Witzige Frage: Seitdem ich bei Instagram bin, denke ich soooo oft, wenn ich Buchcover sehe: Da hat das Marketing direkt an Instagram gedacht. Alles andere unterschei­det sich kaum von dem, was ich in der Buchhandlu­ng mache. Bei Instagram jedoch habe ich die Chance, auch mal Backlistti­tel in den Fokus zu rücken – in der Buchhandlu­ng muss ich ja schon eher up-to-date sein. Wie gelingt ein Buchfoto? Das ist schwierig in Worte zu fassen – meist kommt mir beim Lesen schon eine passende, oft fixe Idee, wie ich das Buch in Szene setzen möchte. Oft hat dies dann einen inhaltlich­en Bezug. Gerade das macht mir so Spaß an Instagram – die Kombi aus visuellem, künstleris­chem Austoben und dem Schreiben von Rezis. Welche Fehler haben Sie anfangs gemacht?

Man darf nicht zu verkrampft sein, es zu sehr wollen. Bitte geht entspannt an die Sache ran, das wirkt sich positiv auf die Posts aus und das merken die Follower.

Was haben Sie durch das Bloggen herausgefu­nden? Vor allem: Auf der ganzen Welt sind Buchmensch­en die nettesten überhaupt. Der Ton ist immer freundlich und ich finde es fasziniere­nd, mich mit Menschen in Saudi Arabien oder Island zu verbinden, die die gleichen Bücher wie ich lesen und wertschätz­en. Lesen an sich ist ja ein einsamer Prozess, aber der Austausch über das Gelesene ist immer wieder eine reine Freude!

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2.2019
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