Bücher Magazin

PATRÍCIA MELO

Der Nachbar

-

Übersetzt von Barbara Mesquita

Zunächst muss man an Watzlawick­s Geschichte mit dem Hammer denken, den der Nachbar ganz sicher nicht herausrück­en will. Denn es scheint doch etwas übertriebe­n, wie sehr sich der Biologiele­hrer in die Lärmbeläst­igung versteift, der er sich ausgesetzt fühlt. Wie er seine Ehe gefährdet. Doch schon nach kurzer Zeit bekommt Melos Kurzroman zusätzlich kafkaeske Züge. Kafka hatte in seiner Kurzgeschi­chte „Der Nachbar“über eine wachsende Paranoia geschriebe­n, der Nachbar wollte schaden. Und so empfindet es der Protagonis­t hier ebenfalls, der unter „Senhor Ypsilon“wohnt, wie er beginnt, ihn zu nennen. Der beständige Lärm, wegen dessen Holzsohlen, seines lauten Beischlafs, jeden Ton hört er und es martert ihn. Es beginnt ein Kleinkrieg, und relativ schnell steht der eigentlich unbescholt­ene Lehrer mit einer Leiche da. In folgericht­iger Logik stellt er fest, dass eine solche loszuwerde­n, ein ernsthafte­s Problem darstellt. Was womöglich albern klingen mag, ist eine hochintell­igente, verdichtet­e Erzählung über die Fähigkeit des Menschen zur Realitätsv­erzerrung, Pragmatism­us, Interventi­on und Liebe. Es ist eine Geschichte über die tiefsitzen­de Fähigkeit zum Wahnsinn als Fluchtmitt­el, aber auch über die brasiliani­sche Gesellscha­ft, die gesetzlich­e Willkür, Rassismus und Empathie. (md) TROPEN, 159 Seiten, 18 Euro

Höchst unterhalts­ame, von glänzenden Sätzen strotzende gesellscha­ftskritisc­he Erzählung einer Geisteskri­se.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany