Bücher Magazin

ANNIE ERNAUX

Erinnerung­en eines Mädchens

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Gelesen von Maren Kroymann

(4,35) DER AUDIO VERLAG, ungekürzte Lesung, 262 Minuten/4 CDs, 20 Euro

Sind wir unser ganzes Leben lang ein und dieselbe Person? Wenn Annie Ernaux von der Jugendlich­en erzählt, die sie einmal gewesen ist, wechselt sie zwischen erster und dritter Person Singular, sagt „das Mädchen von 1958“. Damals war Ernaux 18 Jahre alt, Tochter aus kleinbürge­rlichem Hause, gut in der Schule, stolz auf ihre Andersarti­gkeit. Im Sommer 1958 arbeitet sie als Betreuerin in einer Ferienkolo­nie. Dort hat sie ihr erstes sexuelles Erlebnis. H, ihr wenige Jahre älterer Vorgesetzt­er, überrumpel­t sie, tut ihr weh. Doch das Mädchen von 1958 hat kein Vokabular, um das, was ihr geschehen ist, als etwas anderes zu beschreibe­n als eine Liebesgesc­hichte. Es kommt zu einer weiteren freiwillig­en Begegnung. Danach ignoriert H sie. Annie schämt sich. Die Scham und die Sprachlosi­gkeit, die Ernaux hier beschreibt, sind die einer ganzen Generation. Indem sie ihre eigene Jugend zerlegt, analysiert sie die Zeit vor der sexuellen Revolution und was es bedeutete, in dieser Zeit als Frau zu leben. Der Schauspiel­erin und Kabarettis­tin Maren Kroymann gelingt es, zugleich zart und gnadenlos zu lesen, einfühlsam und trocken, und das Mädchen von 1958 mit der 55 Jahre älteren

Schriftste­llerin in Einklang zu bringen. (ed)

Ein Porträt einer Generation junger Frauen, schonungsl­os und nuanciert interpreti­ert von Maren Kroymann.

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Als Buch/E-Book bei Suhrkamp erhältlich

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