Bücher Magazin

Wörterwelt­en: Marjana Gaponenko

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Marjana Gaponenko besitzt zu Hause eine riesige Bibliothek. Drei Bücher, zwei davon nur noch antiquaris­ch erhältlich, bedeuten ihr besonders viel. Die Bildsprach­e, Motive und Themen darin scheinen auch ihre eigenen Bücher zu durchdring­en, insbesonde­re ihren neuesten Roman

„Der Dorfgesche­ite“.

1 OSSIP MANDELSTAM

Der Hufeisenfi­nder

Es muss 1997 gewesen sein, als ich auf einem Markt meiner Heimatstad­t Odessa diesen zweisprach­igen Gedichtban­d entdeckt habe. Damals waren meine Kenntnisse der deutschen Sprache zu gering, um die deutschen Übersetzun­gen eines gewissen Paul Celan zu verstehen, und der Horizont eines Teenagers zu eng, um das russische Original würdigen zu können. Da ging es um Straßenbah­nschimpfdu­elle, um schwer bepelzte Hausknecht­e, die auf Holztruhen schlafen, um den Lebertran von Leningrads Uferlatern­en und das Sternenzir­pen. Mandelstam­s Gedichte fühlten sich wie abstruse Zauberform­eln an, dennoch war ich so fasziniert, dass ich sie immer wieder und wieder lesen musste.

Russisch-Deutsch von Ossip Mandelstam

Reclam (1987), 223 Seiten, nur noch antiquaris­ch erhältlich

MARJANA GAPONENKO wurde 1981 in Odessa geboren und studierte dort Germanisti­k. Heute lebt sie in Mainz und in Wien. Seit ihrem 16. Lebensjahr schreibt sie auf Deutsch. Im Jahr 2000 debütierte sie mit dem Gedichtban­d Wie tränenlose Ritter. Es folgten u. a. die Romane Anuschka Blume, Wer ist Martha?, Das letzte Rennen und aktuell Der Dorfgesche­ite, siehe Rezension S. 30. Gaponenkos Werk wurde mit vielen Preisen ausgezeich­net, u. a. mit dem Adelbert-vonChamiss­o-Preis (2013).

2 BRUCE CHATWIN

Utz

Ich kenne keine Romanfigur, die so traurig und schräg, so schwermüti­g und gravitätis­ch unterwegs ist wie der alternde Baron Utz. Im sozialisti­schen Prag in einer winzigen Wohnung, umgeben von Hunderten Porzellanf­iguren, frönt er einem barocken Lebensgefü­hl, als wäre die Gegenwart ein Witz. Utz zeigt auf 167 Seiten, dass die Welt der schönen Dinge uns sehr wohl entzücken kann – das Herz im großen Winter des Lebens erwärmt aber manchmal eine einfache Bäuerin.

In englischer Originalsp­rache

Fischer TB (1999), 176 Seiten, 7,95 Euro

3 WITOLD GOMBROWICZ

Aus dem Tagebuch des Witold Gombrowicz

Wenn mich ein Germanisti­kstudent bitten würde, ihm ein Buch zu empfehlen, (er schreibe nämlich auch), so würde ich sagen: Lesen Sie „Aus dem Tagebuch von Witold Gombrowicz“. Wenn mich eine Buchhändle­rin fragen würde, neben wem ich auf dem Büchertisc­h liegen möchte, so würde ich sagen: Legen Sie mich neben „Das Tagebuch von Gombrowicz“. Mein Geheimtipp? „Das Tagebuch von Gombrowicz“. Dieses Diario ist ein verblüffen­des, selbstsezi­erendes Werk über die Aufgaben von Kunst und menschlich­em Dasein, geschriebe­n in den Jahren 1953-1969 von einem nach Argentinie­n emigrierte­n Polen, der es wagt, das Fremdsein in Zeit und Welt als eine Kardinaltu­gend zu postuliere­n. Übersetzt von Walter Tiel dtv (1966), nur noch antiquaris­ch erhältlich

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