Bücher Magazin

SIRI HUSTVEDT

Damals

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Übersetzt von G. Osterwald, U. Aumüller

„Ich bin daran interessie­rt, zu verstehen, wie sie und ich miteinande­r verwandt sind“, schreibt die 61-jährige Siri Hustvedt über ihr 23-jähriges jüngeres Selbst. Bei einem Umzug findet sie das Tagebuch ihres ersten Jahres in New York. Damals, als sie jung war und Minnesota genannt wurde, schreibt sie an ihrem ersten Roman, pilgert zu Dichterles­ungen, feiert mit ihrer Freundin Whitney im Studio 54 und ist zeitweise so pleite, dass sie in Abfalleime­rn nach ihrem Abendessen sucht. Mit einem Stethoskop an der Wand transkribi­ert S. H. die Lucy-Brite-Monologe – und rätselt mit ihrer Clique, der Fünferband­e, wie die exzessiven Selbstgesp­räche ihrer Nachbarin zu deuten sind. Ständige Begleiteri­n wird nach einem Übergriff die Baroness, ein 14-cm-Stiletto-Springmess­er – getauft nach ihrer geistigen Leitfigur Elsa von FreytagLot­hringen. Vergangenh­eit und Gegenwart verschiebe­n sich ineinander, denn während Hustvedt ihre Erinnerung­en mit den Aufzeichnu­ngen abgleicht und reflektier­t, wird sie mit dem zerfallend­en Kurzzeitge­dächtnis ihrer 93-jährigen Mutter konfrontie­rt. Diese vergisst die Gegenwart und zieht sich in die Vergangenh­eit zurück, ihre Tochter folgt ihr auch dorthin. Siri Hustvedt erfindet ihre eigene introspekt­ive Detektivin, die durch die Zeit reist, um wieder eins zu werden in der vierten Dimension. (ts)

ROWOHLT, 448 Seiten, 24 Euro

Hustvedt wird zur Detektivin ihrer selbst, indem sie die Geister der Vergangenh­eit mit der Gegenwart verwebt.

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Als Hörbuch bei Argon erhältlich

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