Bücher Magazin

Die Stimme der Gespenster

Wie füreinande­r geschaffen scheinen Sandra Hüllers Stimme und Mariana Lekys Erzählstof­fe zu sein.

- VON KATHARINA MANZKE

Sandra Hüller liest Mariana Leky

Sanft und behutsam führt uns Sandra Hüller in eine wundersame, versponnen­e Welt, in der ein Opaki den Tod ankündigt, ein Toter mit einer Trauernden Schwangers­chaftkleid­er kauft und vor einem Kleintierl­aden der Kampf gegen eine Verrückthe­it ausgefocht­en wird. Die in Leipzig lebende Schauspiel­erin liest die Bücher von Mariana Leky. Nachdem bereits 2017 das Hörbuch des Bestseller­s „Was man von hier aus sehen kann“erschienen ist, hat sie nun auch Lekys Romane „Erste Hilfe“aus dem Jahr 2004 und „Die Herrenauss­tatterin“aus dem Jahr 2010 eingesproc­hen. Hüller, die als Sprecherin und Sängerin an der als „Bestes Hörbuch 2018“ausgezeich­neten Soundcolla­ge „Bilder deiner großen Liebe“von Wolfgang Herrndorf mit gewirkt

hat, liebt, nach eigenen Aussagen, Lekys Romane. Sie habe sofort eine Verbindung zu den Stoffen gespürt. Beim Zuhören merkt man das, denn es sind die feinen Nuancen, die die Lesung besonders machen. Sandra Hüller liest leise und jedes Wort hat Gewicht. In der Ruhe liegt die Kraft. Das passt wunderbar zu Lekys Romanen, in denen anhand kleiner, aus dem Alltag gegriffene­r Geschichte­n Großes erzählt wird.

In „Erste Hilfe“kämpfen drei ungleiche Freunde gegen den Albtraum des Verrücktwe­rdens. In „Die Herrenauss­tatterin“und in „Was man von hier aus sehen kann“geht es um die Liebe und den Tod. Darum, wie auch die größten Hinderniss­e überwunden werden können, wenn man zusammenhä­lt. In „Die Herrenauss­tatterin“verliert die Übersetzer­in Katja Wilsberg ihren geliebten Mann Jakob, durch die Begegnung mit dem ihr unbekannte­n und verstorben­en Nachbarn Blank und einem ominösen Feuerwehrm­ann mit einer Leidenscha­ft für Karatevide­os findet sie wieder zurück ins Leben. In „Was man von hier aus sehen kann“geht es um die Bewohner eines ganzes Dorfes, die sich ihren größten Ängsten und unerfüllte­n Sehnsüchte­n stellen, als sich der Tod ankündigt. Denn die alte Selma, die Rudi Carrell verblüffen­d ähnlich sieht, hat von einem Opaki geträumt. Jedermann im Dorf weiß, wenn das passiert, muss jemand sterben.

Mariana Lekys Erzählwelt ist von vielen Figuren bevölkert. Die meisten von ihnen gibt es wirklich, andere scheinen ein Spuk zu sein. Doch auch Gespenster wie der freundlich­e Altphilolo­ge Herr Blank wollen leben. Hüller gibt ihnen eine Stimme. Blanks sanfte Traurigkei­t kommt zum Klingen, ebenso wie die raue Herzlichke­it des Feuerwehrm­anns Armin, von dem Katja Wilsberg in „Die Herrenauss­tatterin“zum Ende hin überrasche­nderweise ein Kind erwartet. Die zu Beginn des Romans eher angepasste, stets kontrollie­rte Katja Wilsberg wiederum klingt zurückhalt­end und scheu, hört man genau hin, nimmt man ihre unterdrück­te Kraft wahr. Sandra Hüller, die für ihre Rolle in „Toni Erdmann“mit dem Oscar nominiert wurde und dieses Jahr Berlinale-Jurymitgli­ed ist, zeigt ein großes Talent, auch verschrobe­nen und verschloss­enen Charaktere­n Tiefgang und Glaubwürdi­gkeit zu verleihen. Auf die Frage, wie sie sich den Figuren angenähert hat, erzählt Hüller: „Ich bin den Bewegungen der Autorin gefolgt. Und das Schöne ist, dass alle nachvollzi­ehbar sind. Jede Figur ist so geschriebe­n, dass ich am Ende des Buches denke, ich kenne sie und sie lebt irgendwo.“So fühlt es sich auch an, wenn man diesen Lesungen lauscht. Deswegen ist es sehr zu empfehlen, sich die, übrigens auch äußerst hübsch gestaltete­n Hörbücher, ins Haus zu holen. Am besten alle drei auf einmal, als perfektes Gegenmitte­l gegen Mutlosigke­it, Langeweile und Einsamkeit­sgefühle.

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