Auf Lesereise … mit Friedrich Ani
Als Moderatorin ist Margarete von Schwarzkopf unterwegs im Namen der Literatur. In dieser Kolumne schreibt sie über ihre Begegnungen mit den begehrtesten Stars und den aufregendsten Newcomern der großen weiten Bücherwelt.
Es ist nicht immer einfach, mit dem Ruf zu leben, dass man zu den Besten seines Genres gehört. Friedrich Ani, ausgezeichnet mit jedem Krimipreis in Deutschland, sieht darin gelegentlich auch ein Kreuz. Er wird geehrt, seine Romane sind Lieblinge der Kritiker, aber dadurch, so der Autor, wächst auch der Druck. Doch damit scheint er fertig zu werden. Kurz vor Weihnachten war er mit seinem schmalen Buch „Der Narr und seine Maschine“im Frankfurter Literaturhaus zu Gast, gut gelaunt und bester Dinge. Dieser Roman um seinen Ermittler Tabor Süden hat Ani einem Lieblingsautor gewidmet: Cornell Woolrich, heute fast vergessen, auch wenn die Filme, die auf seinen Romanen wie
„Die Braut trug Schwarz“oder auf seinen Drehbüchern wie zu „Das Fenster zum Hof“basieren, längst Klassiker sind.
Ani zitiert in seinem Roman aus Woolrichs Autobiografie „Blues of a Lifetime“. Es geht auch in diesem Werk um das alte Thema, das Tabor Süden umtreibt und ihn nach längerer Pause aus der Versenkung zurückholt: das Verschwinden von Menschen. „Eigentlich handeln alle meine Bücher von diesem Thema, auch der Tod ist ja ein Verschwinden. Was aber hat das für Auswirkungen auf andere Menschen? Warum entzieht sich jemand dem Alltag und was eigentlich ist Verschwinden? Eine Absage ans Leben, eine Flucht, ein Vergessen? Diesen Fragen gilt Tabors und mein Interesse.“Ani hatte noch nie Probleme, als „Krimiautor“bezeichnet zu werden; „Ich bin es nun mal und stehe dazu.“Mit Tabor hat er eine Figur erdacht, die oft wie ein Spiegelbild des Autors erscheint. Ein Einzelgänger, ein schweigsamer Melancholiker, der dem Leben immer neue Fragen stellt und sich mit den Antworten nicht zufriedengibt.
„Der Krimi ist ein gutes Genre, um Tiefen und Untiefen auszuloten und gesellschaftliche Probleme darzustellen“, sagt er. Natürlich darf dabei die Spannung nicht fehlen, aber Ani schreibt nicht, um den Lesern vergnügliche Stunden zu bereiten. Seine Hauptprotagonisten, zu denen auch der ehemalige Mönch Polonius Fischer und der pensionierte Kommissar Jakob Franck zählen, sind Grübler, Suchende und oft Verzweifelte. Der 1959 in Kochel am See geborene Ani, dessen Vater aus Syrien stammte, gibt ihnen eine große Gedankenlast mit auf den Weg: Schuld, Sühne, Vergebung, Fragen nach dem Sinn des Lebens. Das sind Elemente in allen Ani-Romanen, sprachlich ausgefeilt und oft in ihrer lakonischen Art eine Herausforderung.
Man merkt seiner Sprache an, dass Ani auch Dichter ist. „Reduktion ist das Geheimnis von Dichtung und eigentlich auch von Prosa.“Er schreibt auf den Punkt, und wenn er bei Veranstaltungen seine Texte vorträgt, spürt man einen ganz eigenen Rhythmus. Allerdings hört Ani nie, wie viele seiner Kollegen, beim Schreiben Musik. „Ich brauche absolute Ruhe, um meine Sätze aufs Papier zu bannen. Ich lebe während des Schreibens wie in einer Kapsel.“
Neben Gedichten und Lyrik hat er auch Jugendbücher, Theaterstücke, Hörspiele und Drehbücher verfasst, darunter zu „Tatort“, „Ein Fall für Zwei“, „Kommissarin Lucas“und für die Verfilmungen seiner eigener Romane. „Ich liebe Herausforderungen, und jedes Genre hat andere Regeln, andere Schwierigkeitsgrade. Meine Romane fürs Fernsehen zu bearbeiten, ist besonders schwer, da ich bei ihnen fertige Bilder im Kopf habe.“Auf sein nächstes Buch, einen „ganz dicken“Roman, freut sich Friedrich Ani jetzt schon. „Drei meiner Kommissare arbeiten da zusammen. Franck, der mit den Toten redet, mein Ex-Mönch Polonius Fischer und Tabor Süden. Hinzu kommt noch die Ermittlerin Fariza Nasri, die wie ich syrische Wurzeln hat. Die Wege dieser vier kreuzen sich. Das Schreiben dieses Romans war eine Mordsarbeit, aber auch eine Mordsgaudi.“Der neue Roman „All die unbewohnten Zimmer“erscheint im Juni – und garantiert wird Friedrich Ani dafür wieder Preise einheimsen. Damit muss er leben …