LITERATUR LOTSEN
Unsere Lieblingsbuchhandlungen stehen Rede und Antwort. Diesmal Stephanie Krawehl von der Buchhandlung Lesesaal in Hamburg.
Der Lesesaal hat im Februar sein 10-jähriges Jubiläum gefeiert. Wenn Sie zurückblicken: Was hat sich seitdem total verändert?
In diesen zehn Jahren hat sich natürlich viel verändert – u. a. arbeitete ich sieben Jahre lang mit Laufkarten und habe Quittungen per Hand geschrieben. Das einschneidendste Ereignis war der Umzug nach sieben Jahren von Eimsbüttel in die Neustadt im April 2018. Seit dem 2. Mai 2018 sind wir in den Stadthöfen mit unserer Buchhandlung, dem Lesesaal Café und dem Geschichtsort – denn das Stadthaus, in dem man uns jetzt findet, war zwischen 1933 und 1943 Gestapo Hauptquartier.
Wie gehen Sie mit diesem Geschichtsort um?
Der Geschichtsort ist inhaltlich von der KZ Gedenkstätte Neuengamme ausgearbeitet und von der Agentur Missall, Gies und Partner gestaltet worden. Auf der Mietfläche gibt es eine Dauerausstellung, die an die Geschichte des Ortes erinnert. Die Buchhandlung leistet zu dieser Ausstellung mit einem themenbezogenen Bücherregal ihren Beitrag.
Sie haben das Jubiläum mit einem Live-Special von „Vorgelesen bekommen“auf Instagram gefeiert.
Was hat es mit diesem Veranstaltungsformat auf sich?
Das Veranstaltungsformat „Vorgelesen bekommen“läuft seit September 2011 live einmal monatlich mit vier Teilnehmer:innen. Jede/r stellt zwei Bücher vor und jedes Buch bekommt 15 Minuten: fünf Minuten Vorstellung und zehn Minuten lang wird daraus vorlesen. Seit April 2020 haben wir diese Veranstaltung pandemiebedingt ins Netz verlegt – auf Instagram läuft diese Serie weiter, live jeweils dienstags und freitags um 19:30. Am 2. April 2021 bestreiten wir auf Instagram die 100. Folge.
Sie nutzen digitale Möglichkeiten auf verschiedene Weise. Mit Roma Maria Mukherjee haben Sie sogar eine Social Media Managerin. Ist das auch eine Reaktion auf die Pandemie? Was begeistert Sie an den Möglichkeiten im Netz?
Als unabhängige Sortimentsbuchhandlung sehen wir unsere Aufgabe u.a. darin, die Schätze, die bei uns im Regal stehen, einem breiten Publikum vorzustellen, d. h. die Entdeckungsreise ins Netz zu verlegen, da nicht gestöbert werden kann. Roma Maria Mukherjee sorgt dafür, dass wir in den sozialen Medien sehr präsent sind und schreibt wöchentlich einen thematisch ausgerichteten Blog auf unserer Website. Der direkte Kundenkontakt läuft über Mail, Telefon und WhatsApp – wir, Wolf Gierens und ich, beraten gerne auf allen Kanälen und garantieren damit Stetigkeit. Was mich persönlich begeistert ist u. a. die Tatsache, dass jeder Live-Auftritt im Netz auch später angeschaut werden kann.
Im vergangenen Jahr startete die Instagram-Reihe „Stephanie fragt nach“. Was hat es damit auf sich? Seit Ende Juli 2020 habe ich auf meinem privaten Instagram-Account @stephanie_krawehl die Interview-Reihe „Stephanie fragt nach“gestartet, um zu erfahren, was Kulturschaffende bewegt, u. a. die Übersetzerin von Tove Ditlevsen, Ursel Allenstein. Alle Interviews werden ebenso gespeichert wie jede Folge von „Vorgelesen bekommen“.
Welche Pläne haben Sie für 2021? Gibt es neue Ideen, die Sie verwirklichen wollen?
Es gibt 2021 viele Anlässe, das Buch zu feiern, auch im Netz. Ebenso werden wir wie letztes Jahr Open Air-Lesungen veranstalten. Im April startet unser Lesesaal-Podcast und wir werden verstärkt mit YouTube arbeiten.
Welche aktuelle Neuerscheinung können Sie unseren Leser:innen gerade besonders empfehlen?
Meine Buchempfehlung kommt aus dem Wagenbach Verlag: „Treue“von Marco Missiroli in der Übersetzung von Esther Hansen, erschienen Ende Januar 2021. Dieser emotional erzählte Eheroman spielt in Mailand von heute – schonungslos und sinnlich.
DIE BUCHHANDLUNG LESESAAL wurde nach der Eröffnung vor zehn Jahren im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel schnell zu einem Magneten für Literaturfreund:innen, was er auch mit seinem neuen Standort in der Hamburger Innenstadt geblieben ist. Der Lesesaal wurde bereits viermal mit dem Gütesiegel des Deutschen Buchhandlungspreises geehrt. lesesaal-hamburg.de