T. C. BOYLE
Sprich mit mir
Wenn wir einen Weg finden, mit unseren nächsten Artverwandten zu sprechen – was erzählt uns das über ihre Sicht auf unsere Welt? Der Primatenforscher Guy Schemerhorn zieht den Schimpansen Sam wie sein eigenes Kind auf und kommuniziert mit ihm in Gebärdensprache, um seine geistigen Fähigkeiten zu erforschen. Nachdem seine Frau ihn verlassen hat, tritt die Studentin Aimee an ihre Stelle. Fortan ist Aimee Sams engste Bezugsperson, sie zieht auf die Farm und auch mit Guy entsteht eine Beziehung. Doch die heile Familienwelt endet jäh, als die Forschungsgelder gestrichen werden. Wie so oft bei Boyle gibt es einen wahren Kern in dieser Erzählung, die auf realen Sprachexperimenten mit Schimpansen in den 1970ern basiert. Als auktorialer Erzähler nimmt Boyle hauptsächlich Aimees und Sams Perspektive ein – und schubst uns durch Zeitsprünge in eine Zukunft, in der Sam eingesperrt und verzweifelt in einem Käfig haust und versucht, sein Schicksal, mit den vielen Wörtern, die er gelernt hat, zu verstehen. Während die Erzählblöcke dazwischen atemlos auf den Punkt zusteuern, als Sams heile Welt zerbricht, ist es dann Sams und Aimees gemeinsame Flucht vor der grausamen Realität, die einem endgültig das Herz bricht und an der Menschlichkeit zweifeln lässt. (ts)
Schimpanse Sam verständigt sich mit Gebärdensprache – doch keiner außer Aimee begreift, was das letztlich heißt.
HANSER, 352 Seiten, 25 Euro