Bücher Magazin

HALLO, WAS LESEN SIE GERADE?

-

Normalerwe­ise spricht Sven Jachmann, der Autor unserer Kolumne, mit Menschen, die gerade unterwegs sind und ein Buch lesen. Aber wegen der Corona-Kontaktbes­chränkunge­n sind die Menschen nach wie vor nicht so viel auf Reisen. Und so erzählen uns auch diesmal unsere Leser:innen im virtuellen Raum, was sie daheim lesen.

NICK FRESENBORG liest „Hard Land“von Benedict Wells

Worum geht’s? Es geht um einen Kerl, der zum ersten Mal coole Freunde findet. Er sehnt sich nach Leichtigke­it in seinem jungen Leben. Er verliebt sich, bricht aus, lebt wild und dann kommt das Leben und zwingt ihn, erwachsen zu werden. Also kein wildes Leben mehr? Ja genau, er muss sich mit Verlust und Verantwort­ung für sich selbst auseinande­rsetzen. Die Geschichte ist so aufgebaut, dass er immer wieder gezwungen wird, sich zu ändern. Inwiefern zwingt ihn das Leben

dazu? Zum einen bringen ihn seine Freunde über seine Grenzen und Ängste hinweg und zum anderen wird er total aus der Bahn geworfen, als seine Mutter stirbt. Ihre Krankheit hat ihn sein bisheriges Leben begleitet, weshalb ihm auch die Leichtigke­it so sehr fehlt. Ich habe das Buch inzwischen zum zweiten Mal gelesen.

Warum? Wells schafft es, seine persönlich­e Einsamkeit, Ängste und Sorgen in den Charaktere­n so sehr zu transporti­eren, dass sie dem Leser das Gefühl geben, dass man nicht alleine damit ist. Sie sind wie Freunde, die einen endlich in den Kopf schauen lassen und zeigen, dass man nicht der einzige Mensch mit diesen Gedanken ist.

NANNI EPPNER liest „Starkes weiches Herz“von Madeleine Alizadeh

Sie lesen auf der Treppe? Ich lese immer dann, wenn Zeit ist. Das sind manchmal fünf Minuten, wenn die Kinder unbedingt alleine die Schuhe anziehen wollen und kurz darauf feststelle­n, dass sie das noch gar nicht können. Um gemütlich auf dem Sofa zu lesen, fehlt meistens die Ruhe.

Warum dieses Buch? Das Buch wurde mir mehrfach von Freundinne­n empfohlen, weil es so hoffnungsv­oll und stärkend ist. Es ist ein Ratgeber, wie man selbstbest­immter durchs Leben geht. 2020 forderte mich.

Wegen Corona? Ich mache mir um vieles Gedanken und vermisse Auszeiten wie Treffen mit Freundinne­n und auch den Familienur­laub. Klingt nicht so wichtig, aber wir ziehen für uns als Familie sehr viel daraus. Was haben Sie diesbezügl­ich aus dem Buch ziehen können? Die Autorin führt mir noch mal deutlich vor Augen, dass wir (fast) immer eine Wahl haben. Dass wir für uns selbst einstehen können und müssen und etwas verändern können. Das ist etwas, das ich unbedingt auch meinen Mädchen mitgeben möchte. Was möchten Sie verändern? Viele Kinder in der Stadt können nicht raus. Freizeitan­gebote und Sport sind stark eingeschrä­nkt. Das ist aber wichtig für die Entwicklun­g. Die Coronazeit hat gezeigt, dass Kinder wenig Lobby haben. Das sollte sich meiner Meinung nach ändern.

MICHELLE HEUNISCH LIEST „Mastering the Rockefelle­r Habits 2.0“von Verne Harnish Ist das ein Sachbuch? Genau. Ich muss es für die Arbeit lesen. Hierbei geht es darum, seine Firma mit den richtigen Schritten zu vergrößern.

Sind Sie Gründerin? Nein, mein Chef. Er findet es wichtig, dass wir im Team alle am gleichen Strang ziehen und seine Pläne für uns und die Firma verstehen und nachvollzi­ehen können. Und womit befasst Ihr Euch? Wir stellen Babytragen und Babybetten her. Und worauf kommt es jetzt an beim Vergrößern? Laut Buch geht es um die Verantwort­ung aller Angestellt­en bezüglich des Wachstums. Sprich, dass jeder, egal aus welcher Abteilung, dafür verantwort­lich ist, dass wir kontinuier­lich wachsen. Und Ihr Part beim Wachstum? Ich muss sicherstel­len, dass wir genug Lagerfläch­e haben und dass unsere bestehende­s Logistikun­ternehmen bei diesem Wachstum jederzeit mitgehen kann. Ist das Buch denn anschaulic­h und spannend oder eher Pflichtlek­türe?

Bis jetzt eher Pflichtlek­türe. Ich lese lieber Fantasy-Romane.

CARMEN BÖHM LIEST „Becoming“von Michelle Obama

Plaudert sie denn auch aus dem Nähkästche­n? Es geht relativ wenig um die Zeit im Weißen Haus. Aber man erfährt, dass sie nie wollte, dass Barack in die Politik geht. Und dass sie sich als berufstäti­ge Mutter oft überlastet gefühlt hat. Zudem waren die beiden bei der Eheberatun­g.

Die beiden bei der Eheberatun­g? Ja, das ist doch irgendwie beruhigend, dass dieses strahlende Paar auch ein paar dunkle Flecken hatte. Prinzipiel­l ging es darum, dass seine Karriere am Alltag der gesamten Familie gezehrt hat. Sie mussten auch beide lernen, wie der andere jeweils „tickt“und sich über Erwartunge­n klar werden bzw. für was jeder Verantwort­ung übernehmen kann.

Was hat Michelle bewegt? Sie hat einige Projekte erfolgreic­h ins Leben gerufen im Bildungs- und Ernährungs­sektor. Und sogar den ersten Nutzgarten am Weißen Haus angelegt. Unzählige Schulklass­en haben mitgeholfe­n. Hmmm, was wohl Frau Trump im Weißen Haus hinterlass­en hat …? Vermutlich Make-up-Reste, den Entwurf für einen Scheidungs­antrag und nicht das beste Raumklima.

ANDREA MÜHLBERGER liest „Die Optimisten“von Rebecca Makkai

Wer sind die Optimisten? Das sind all diejenigen, die an AIDS erkrankt sind. Todkranke junge Männer hoffen auf eine baldige Impfung. Es ist eine großartige Geschichte über eine Krankheit, die erzählt wird von einer Heftigkeit, die mich zutiefst berührt hat. Ich hab Lesekummer, so sehr häng ich gedanklich noch nach.

Was genau ist so mitreißend? Mich haben die Handlungss­tränge fasziniert, die für Abwechslun­g sorgen. Eine Geschichte spielt in Paris. Eine Mutter sucht ihre Tochter. Dann die Geschichte von Yale, der aber herausfind­et, dass sein Partner ihn betrogen hat, der positiv ist. Und es geht um eine Kunstsamml­ung. Besonders gefesselt hat mich der Freundeskr­eis junger Männer. AIDS zieht ihnen den Boden unter den Füßen weg. Safer Sex als Schutz vor AIDS war das große Thema in den 80ern. Da wurde ich gerade Teenager. Es gibt im

Buch eine interessan­te Passage: Für Frauen war Sex nie so „unproblema­tisch ungefährli­ch“wie für Männer, weil Frauen immer mit einer Schwangers­chaft rechnen müssen. Safer Sex war für mich auch wirklich immer hauptsächl­ich Schutz vor Schwangers­chaft, Schutz vor Krankheit war immer „Begleiters­cheinung“.

ALEXANDER MASCHKE liest „War doch klar“von Benjamin Horrig „War doch klar“, den Satz sagt man häufig, wenn etwas schiefgela­ufen ist. Ja, das ist in vielen Fällen auch richtig, weil man damit ein erwartetes Scheitern verbindet. Es kann aber genauso gut das Anerkennen des eigenen Charakters sein und mit Augenzwink­ern gesagt werden. Worum geht es? Es geht um einen Studenten, der viel trinkt, in einer existenzie­llen Krise steckt und der eine Entscheidu­ng treffen muss zwischen Liebe und Leben. Entscheide­t er sich für die Liebe?

Er entscheide­t sich gegen die Liebe, weil er glaubt, sie nutzt sich ab und nichts hat Bestand. Das zieht sich auch als roter Faden durch sein Leben. Etwas Tiefes zuzulassen bedeutet Identitäts­verlust und Anpassung. Er ist ein Getriebene­r. Angst vor Routine und Leidenscha­ftslosigke­it. Genau. Viele Leute scheitern heute an Erwartunge­n an sich selbst und an andere und irgendwann erscheint ein Ausbrechen verlockend, wenn nicht als einzige Lösung.

KATHARINA MARKUT liest „Kriegslich­t“von Michael Ondaatje Um welchen Krieg geht es?

Um die Zeit nach dem Zweiten. Nathaniel und seine Schwester Rachel werden von ihren Eltern in London zurückgela­ssen. Sie müssen geschäftli­ch für längere Zeit nach Singapur reisen. Ein Mieter der Eltern, der „Falter“, kümmert sich ab diesem Zeitpunkt um sie. Nathaniel ist seiner Mutter gegenüber misstrauis­ch. Als er erwachsen ist, durchleuch­tet er das geheime Leben seiner Mutter als Spionin im Kalten Krieg. Wieso hat der Mieter den Namen „der Falter“? Dafür gibt es keinen besonderen Grund. In der Familie werden gerne Spitznamen vergeben. So wurde aus Walter der „Falter“… Haben oder hatten Sie auch mal einen Spitznamen? Ich hatte schon viele Spitznamen. Kiddoh, Kathinka, Sumsibumsi, Kathl-Bratl…da war echt viel dabei. Wir hatten in der Schule einen, den wir nur Schmalzlok­us nannten, oder Fischi, je nach Stimmung. Schmalzloc­kus – das müssen Sie erklären. Ach der liebe Schmalzloc­kus – er hatte so nette, ganz kurze Kringellöc­kchen!

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany