Wörterwelten: Mirna Funk
Nach ihrem viel beachteten Debütroman erscheint mit „Zwischen Du und Ich“endlich ein neuer Roman von Mirna Funk. Hier verrät sie, welche Bücher sie seit vielen Jahren begleiten und inspirieren. Eine innige Beziehung.
1 NICOLE KRAUSS: Das große Haus
Vielleicht wäre ich ohne Nicole Krauss niemals Schriftstellerin geworden. Vielleicht hätte ich meinen Roman „Zwischen Du und Ich“ohne das „Große Haus“von Nicole Krauss niemals schreiben können. Sie und ihr Buch haben mir jedenfalls beigebracht, wie man Romane schreibt. Wie man sie strukturiert, was eigentlich alles erlaubt ist und warum man sich diesen monatelangen Schmerz überhaupt zufügt. Denn Schreiben tut weh. Es macht keinen Spaß. Es ist ein überaus langer, quälender Prozess. Aber abgesehen davon, dass Krauss’ Roman exzellent aufgebaut ist, erzählt er davon, welchen Einfluss die Vergangenheit bis in die Gegenwart hat. Ein Thema, das Krauss’ und mich offensichtlich nicht loslässt.
Übersetzt von Grete Osterwald, rororo (2012), 384 Seiten, 9,99 Euro
2 MAX FRISCH: Biografie: Ein Spiel
Immer wenn ich mich in meinem Leben an einer Gabelung befinde, greife ich zu diesem Buch. Wahrscheinlich habe ich es schon über 20-mal gelesen. Es ist ein kurzes Buch. Es handelt von Hannes Kürmann, einem Verhaltensforscher, und von Antoinette Stein, einer Übersetzerin. Herr Kürmann zaudert mit seiner Biografie. Er möchte sie ändern. Und wie oft haben wir uns das alle schon gewünscht: Die Zeit zurückzudrehen, eine andere Entscheidung zu treffen. Wie Kürmann glauben wir, dass unsere Biografie anders ausgehen könnte. Dieses Buch hat mich gelehrt, dass alle getroffenen Entscheidungen schließlich richtig sind und dass wir uns – hätten wir die Möglichkeit – vermutlich immer wieder für dieselbe Biografie entscheiden würden, obwohl wir ständig glauben, sie radikal ändern zu wollen.
Suhrkamp (1985), 174 Seiten, 13,95 Euro
3 EVA ILLOUZ: Die neue Liebesordnung
Was macht die Auflösung der klassischen Geschlechterrollen mit uns und warum liefert das Buch „50 Shades of Grey“eine mögliche Antwort darauf? Damit beschäftigt sich die israelische Soziologin Eval Illouz in diesem Essay. Es ist eines von etlichen Büchern, die Illouz über die Liebe, aber auch über Beziehungen geschrieben hat. Ich habe sie alle gelesen. Das hier halte ich aber für das relevanteste.
Edition Suhrkamp digital (2013), 88 Seiten, 7,99 Euro
4 NIKOLAI BERDJAJEW: Das Ich und die Welt der Objekte – Versuch einer Philosophie der Einsamkeit und der Gemeinschaft
Ich habe Philosophie studiert. Eigentlich tue ich es immer noch. Im Moment stecke ich mitten in meinem Master. Meine Bachelor-Arbeit habe ich zur Anerkennungstheorie geschrieben. Darin geht es um die Frage, wie wir es schaffen können, den anderen als anderen und damit als echtes Subjekt wahrzunehmen. Ihn also nicht zu objektivieren, indem wir lediglich über Übereinstimmung Nähe aufbauen, sondern uns zu seiner Differenz hingezogen fühlen. Berdjajew hat mit diesem Buch, einen wichtigen Beitrag zur Beantwortung der Frage geliefert.
Holle (1951), 261 Seiten, antiquarisch erhältlich unter zvab.com