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Sie brauchen Rotwein. Rotwein und Gläser, die etwas zu klein sind und nicht vollkommen sauber. Ziehen Sie sich etwas an. Etwas Schwarzes ist gut. Stellen Sie ein paar Küchenstüh­le nebeneinan­der und reserviere­n Sie die ganze Reihe mit einem Seidenscha­l. Schenken Sie sich ein Glas Wein ein, zahlen Sie sich selbst 4,50 Euro, nehmen Sie seufzend das Geld entgegen, gehen Sie noch mal vor die Tür. Draußen sollte es regnen. Vielleicht möchten Sie eine Zigarette rauchen. Füllen Sie auf dem Rückweg Ihr Glas auf. Warten Sie atemlos.

Eine der gutartigen Nebenwirku­ngen der Pandemie ist, dass nahezu alle Kulturinst­itutionen ihre Online-Präsenzen verstärkt haben und eine Menge erstklassi­ger Lesungen, Diskussion­en und Interviews im Internet stehen. Allein der YouTube-Kanal des Literaturh­auses Berlin bietet unter anderem das gesamte Climate Fiction Festival, eine interessan­te Podiumsdis­kussion über das Unbehagen in der Fiktion und Cemile Sahin, die aus „Alle Hunde sterben“liest. Die vielfältig­en Lesungen des Viral Onlinelite­raturfesti­vals stehen auf Facebook in den Archiven von Glitter (@glitteratu­r), dem ersten queeren Literaturm­agazin Deutschlan­ds. In der Mediathek des Literaturf­orums im Brecht-Haus finden sich Beiträge von Andreas Stichmann, Uljana Wolf und Jan Brandt sowie eine Veranstalt­ungsreihe über antifaschi­stisches Theater. Stehen Sie nach der Lesung auf und stellen Sie eine Frage, die eigentlich nicht so richtig eine Frage ist, sondern eher eine Anmerkung, und eigentlich auch keine Anmerkung, sondern eine Geschichte aus Ihrem Leben, die mit dem Text genau genommen nicht das Geringste zu tun hat. Seufzen Sie. Applaudier­en Sie. Bestellen Sie im Gehen noch ein Glas Wein. Fragen Sie sich nach Ihrer Telefonnum­mer. Antworten Sie, Sie hätten kein Telefon.

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