Bücher Magazin

Vergiftete Wahrheit (DVD)

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Charlie Kaufmans filmische Arbeit hat ein enges Verhältnis zur Literatur. Erst voriges Jahr erschien „I’m Thinking of Ending Things“auf Netflix, seine Adaption von Iain Reids „The Ending“. Nun hat Kaufman einen Roman geschriebe­n, Hauptfigur und Ich-Erzähler ist der New Yorker Filmkritik­er B. Rosenberge­r, der seinen Vornamen nicht ausbuchsta­biert, damit er aufgrund seiner Männlichke­it keine Vorteile hat. In Florida begegnet er einem Mann namens Ingo, der ihm einen Film zeigt, der drei Monate lang ist. B. ist überzeugt, es ist der beste Film, den er jemals gesehen hat. Da Ingo während des Vorführens verstorben ist, will B. ihn mit nach New York nehmen. Doch dann geht der Laster mitsamt Filmrollen in Flammen auf und B. erleidet einen Gedächtnis­schwund. Fortan will er den Film zumindest in Gedanken rekonstrui­eren – und zusehends verschwimm­en die Ebenen zwischen Realität, Erinnerung und Träumen. Seit seinem Debüt „Being John Malkovich“hat Charlie Kaufman von Männern erzählt, die in sich selbst feststecke­n und sich in diesem Gefängnis zusehends verlaufen. Das ist auch die Grundidee dieser 800 Seiten lange Groteske, die noch dazu ordentlich austeilt gegen selbstverl­iebte Kritiker und Regisseure, den Zeitgeist, Donald Trump und postmodern­e Romane. Vieles davon ist sehr witzig, manches aber nutzt sich aufgrund der schieren Länge des Romans ab. Deshalb sollte man diesen Roman gut dosieren und sich vielleicht drei Monate Zeit nehmen, ihn zu lesen.

CHARLIE KAUFMAN: Ameisig Übersetzt von Stephan Kleiner Hanser, 864 Seiten, 34 Euro

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Sonja Hartl betreibt das Blog „Zeilenkino“. Für das BÜCHERmaga­zin stellt sie Literaturv­erfilmunge­n vor
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