Muriel Baumeister:
MURIEL BAUMEISTER wurde mit 1,45 Promille am Steuer erwischt. In BUNTE erzählt sie erstmals die Hintergründe ihrer tiefen Krise – ihre Depressionen und Geldsorgen
Alkohol und Geldsorgen – die Schauspielerin beichtet ihre Lebenskrise
ES GIBT NICHTS SCHÖNZUREDEN, ES HAT MICH GANZ SCHÖN DURCHGERÜTTELT“
Zehn Kilo hat Muriel Baumeister, 45, in den letzten sechs Monaten verloren. „Das liegt an meiner Krisendiät“, sagt die beliebte Schauspielerin beim BUNTE-Interview in Berlin und schmunzelt. Es ist schön zu sehen, dass sie ihr strahlendes Lachen trotz der unschönen Schlagzeilen der vergangenen Woche nicht verloren hat. Von „Suff-Fahrt mit 1,45 Promille“war zu lesen, von „Alkohol-Crash“, „Strafbefehl“, „Gläubigern, die sie jagen“, ihrem „tiefen Fall“und dem „Absturz eines TV-Lieblings“.
Diese Worte schmerzen die Schauspielerin mit den großen blauen Augen und dem Kindchenschema-Gesicht besonders. Denn: „Ich bin nicht abgestürzt“, wehrt sie sich. „Ich hatte eine Krise. Das ist ein Unterschied. Es gibt nichts schönzureden, mich hat es ganz schön durchgerüttelt. Aber das Wort Krise impliziert, dass man sie meistern kann. Und ich bin auf gutem Weg, das zu tun. Das Schlimmste habe ich hinter mir.“
Vor gut einem halben Jahr war Muriel Baumeister von der Polizei aufgegriffen worden, als sie mit ihrer Tochter Frieda, 11, im Auto betrunken einen leichten Verkehrsunfall verschuldet hatte. Vergangene Woche kam bei einem Prozess am Amtsgericht Berlin-Tiergarten ihre Alkoholfahrt an die Öffentlichkeit.
Ihre „Patchwork-Herde“, wie Muriel Baumeister ihre Familie mit drei Kindern (23, 11, 2) von drei Männern nennt, habe sie in der Zeit nach dem Unfall „aufgefangen. Alle haben gemerkt, dass sie mir jetzt helfen müssen. Und das haben sie getan. Wir stehen im Schulterschluss nebeneinander. Jahrelang war ich die Leitfigur in unserer Herde, doch jetzt kam ich alleine nicht mehr aus dem Schlamassel raus.“
Wie sind Sie in diese Krise geraten? Nach der Geburt meiner jüngsten Tochter litt ich an postnatalen Depressionen. Ich habe das lange selbst nicht begriffen. Immerhin habe ich bereits zwei Kinder: Linus wird 24, Frieda ist elf Jahre alt. Als Ava im Dezember 2014 zur Welt kam, war ich schon 42 – und habe das eben nicht so locker weggesteckt. Mir ging es anders als nach den Geburten der beiden älteren Kinder. Ich hatte Sorgen, Bedenken, Kummer. Ängste, Erschöpfungszustände. Ich war überfordert. Fünf Monate nach ihrer Geburt bin ich zu meinem Gynäkologen gegangen und habe gesagt: „Irgendwas stimmt hier nicht.“
Hat Ihr Arzt Ihnen Medikamente verschrieben? Er hat mir leichte Antidepressiva gegeben. Aber ich habe zu lange gewartet, sie zu nehmen. Ich wollte die Situation einfach nicht akzeptieren: Ich bin nicht der Typ, der schwächelt. Ich war es gewöhnt, immer alles rocken und meistern zu können. Job, Kinder, den ganzen Patchwork-Wahnsinn. Und auf einmal war ich wie gelähmt und hatte das Gefühl, dass schon meine Zahnbürste zehn Kilo wog und ich sie kaum halten konnte. Dazu kommt die Angst: Hoffentlich bekommt das keiner mit!
Wenige Wochen nach der Geburt Ihrer jüngsten Tochter standen Sie schon wieder vor der Kamera und haben für SAT.1 die Serie „Frauenherzen“gedreht. Wie passt das zusammen? Die Entscheidung, so früh wieder zu arbeiten, war vielleicht ein Fehler im Nachhinein. Ich hatte ein neugeborenes Baby, habe gestillt, das alles bei einem Zwölf-Stunden-Drehtag. Das war ein wahnsinniger Druck für mich. Ich konnte diesem Stress kaum standhalten. Es war furchtbar.
Die Serie wurde nach nur einer Folge eingestellt. SAT.1 hatte sich höhere Quoten versprochen … Das war ein Schlag ins Gesicht für uns alle im Team. Psychisch hat mich das an meine Grenzen gebracht. Man mag das arrogant nennen, aber ich kannte solche Flops und Rückschläge nicht. Alles, was ich bis dato gedreht hatte, lief erfolgreich. Ich hatte das Gefühl, dass mir plötzlich alles entglitt. Ich befand ich mich in einer Spirale, in der es nur noch nach unten ging.
Zuletzt war von Gläubigern zu lesen, denen Sie noch Geld schulden. Haben Sie nichts angespart? Sie waren doch viele Jahre eine der meistbeschäftigten Schauspielerinnen des Landes? In den zweieinhalb Jahren nach der Geburt meiner jüngsten Tochter habe ich aufgrund der postnatalen Depressionen weniger gearbeitet. Und dann kam auf einmal ein Dreivierteljahr kein passendes Angebot mehr rein. Vergangenes Jahr hatte ich gerade mal um die 20 Drehtage. Ich war gewöhnt, drei, vier große Filme im Jahr zu drehen. Das war ein Schock und finanziell für mich eine Katastrophe! Wir alle wissen, wie teuer das Leben ist, und ich bin auch nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren worden: Ich habe drei Kinder, und wenn man kein Geld verdient, ist es irgendwann weg – und damit auch mein Selbstvertrauen. Als Schauspielerin bekomme ich kein Arbeitslosengeld und Hartz IV schien mir keine Option zu sein: Stellen Sie sich mal die Schlagzeile vor: „Muriel Baumeister bekommt Hartz IV“.
Also haben Sie jetzt Schulden? Ich bin unter Zugzwang, das ist richtig: Es gibt Rechnungen, die ich noch nicht beglichen habe. Aber ich bin niemand, der sich auf Kosten anderer einen faulen Lenz gemacht und das
IN DER ZEIT, IN DER ES MIR SCHLECHT GING, HABE ICH TÄGLICH ALKOHOL GETRUNKEN“ „ES GIBT RECHNUNGEN, DIE ICH NOCH NICHT BEGLICHEN HABE“
gehen musste. Mein Gott, ich saß da und habe bitterlich geweint. Diese Frau und so eine Mutter wollte ich einfach nicht sein! Von daher war der Tag, an dem mich die Polizei stoppte, eigentlich meine Rettung. Das hat mir die Augen geöffnet.
Wann haben Sie angefangen, regelmäßig zu viel zu trinken? Ich bin schon immer ein Genussmensch. Ich rauche und ich trinke auch gern mal ein Glas Wein. Doch in der Zeit, als es mir so schlecht ging, habe ich eben täglich Alkohol getrunken, um die Sorgen und Ängste zu vergessen. Der Klassiker. Mother’s little helper. Und als ich dann anfing, die Medikamente meines Arztes einzunehmen, machte es das Ganze nur noch schlimmer: Alkohol und Tabletten – geht gar nicht!
Wie haben Sie Ihr Problem mit dem Alkohol in den Griff bekommen? Ich habe rechtzeitig die Reißleine gezogen, mein Problem erkannt und mir Hilfe gesucht: Ich bin bei einem sehr, sehr guten Verhaltenstherapeuten in Behandlung, der auch viele Topmanager betreut, die wie ich unter großem Druck stehen. Zu ihm gehe ich jede Woche. Und dann mache ich noch eine Einzeltherapie bei einer Psychologin und besuche wöchentlich eine geleitete Selbsthilfegruppe. Da sind wir zwölf Leute, alles gestandene Persönlichkeiten, die versuchen, ihre Ängste, Krisen und Sorgen zu bewältigen. Ich hätte das viel früher tun sollen.
Nehmen Sie die Antidepressiva noch? Ich reduziere die Medikamente auf Anraten meines Arztes wöchentlich. Ich habe auch seit dem Abend auf der Polizeiwache keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt. Ich sehe diese Krise als Chance und nutze sie. Gefühlt habe ich das dunkle Tal schon hinter mir gelassen. Die Talsohle war diese „Promillefahrt“. Ich bin wieder auf dem Weg nach oben. Wenn wir das Bild eines Gletschers nutzen wollen, habe ich schon die Hütte erreicht, bin also auf halber Strecke. Das Gipfelkreuz ist in Sichtweite, ich kann es klar erkennen. Wieder ganz hoch zu kommen, das ist mein Ziel.
Wie geht es für Sie weiter? Ich hole mir weiterhin Hilfe bei meinen Therapeuten und der Selbsthilfegruppe. Einen neuen Film habe ich bereits abgedreht. Tanja Ziegler, die von meiner Situation wusste, hat mich in dem großartigen Film „Der Sohn“besetzt. Sie hat gesagt: „Muriel, du bist eine tolle Schauspielerin, du kriegst das hin.“Ich bin ihr sehr dankbar dafür. Weitere Filmprojekte sind in Arbeit, das erste ist bereits unterschrieben – und das Jahr hat erst begonnen. Ich schaffe das!