Sônia Bogner:
Die Designerin starb mit nur 66 Jahren. Hommage an eine ganz besondere Frau
Der Moment, in dem ihn die Liebe traf, dauerte eine sechzigstel Sekunde. Mit dieser Verschlusszeit fotografierte Junior-Chef Willy Bogner im Sommer 1972 auf dem Golfplatz von Feldafing ein junges brasilianisches Model namens Sônia Ribeiro. 80 mm Brennweite – direkt ins Herz. Geheiratet wurde noch im selben Jahr, im Dezember, sie trug ein weißes Cape von Valentino, in dem sie, so sagte Willy Bogner einmal zu BUNTE, „aussah wie eine Schneeflocke“.
Zauberhafter hätte kein Anfang je sein können. Und nicht schmerzvoller das Ende: Am Mittwoch vergangener Woche starb Sônia Bogner nach schwerer Krankheit im Alter von 66 Jahren. Im Dezember hätten sie und Willy Bogner den 45. Hochzeitstag gefeiert…es hätte ewig gehalten. Sônia und Willy, Willy und Sônia, sie, das „Girl from Ipanema“, das eigentlich Primaballerina (oder wahlweise Rockstar) werden wollte, er, der gletscheräugige Bub aus Bayern, Skirennfahrer, schneidiger Lauberhorn-Bezwinger. Ein Paar wie „Fire and Ice“, heißkalt, verschmolzen zu einem Element.
Erst 22 war sie, als sie Frau Bogner wurde – und brachte mit, was das traditions- reiche Ski- und Lifestyle-Unternehmen mit Expansions-Ehrgeiz noch schillernder erscheinen ließ: Glamour, Weltläufigkeit, Temperament. „Sie sah anders aus als die damals auftoupierten, überschminkten Mädchen. Sie war schon cool, als es das Wort noch gar nicht gab“, erzählt ein Freund aus römischen Zeiten.
Sônia, die bildschöne 18-jährige Carioca, verlässt nach dem Abitur ihre Heimatstadt Rio, studiert zunächst Englisch in Cambridge und folgt dann ihrer älteren Halbschwester Florinda Bolkan, einer Schauspielerin, in die italienische Hauptstadt: Sie wird Showroom-Model bei Valentino (der Designer war auch Gast bei der Hochzeit), gewinnt Freunde aus der CinecittàClique um Regisseur Vittorio De Sica. Römische Boheme, die Nächte sind kurz, das Leben schön. Eines Tages taucht die Designerin Maria Bogner auf, auf der Suche nach einem exotischen SportmodenModel und, so will es die Legende, auf der Suche nach einer Schwiegertochter…
Sônia spricht Englisch, Italienisch, Französisch, Portugiesisch – und bald auch perfekt Deutsch. Von Maria Bogner lernt sie das Design-Handwerk, von einem Skilehrer („Mit Willy hab ich mich nur gestritten“) das Skifahren. 1979 gab Maria Bogner die kreative Leitung für die Damenkollektion an Sônia ab, 1992 erschien erstmals die Designerlinie unter ihrem eigenen Namen. Bogner-Mode trägt das Markenzeichen ihrer Macherin: „A touch of class“, edel, voll Understatement, unangestrengt, mit eben jener Sprezzatura, jener ansteckenden Leichtigkeit versehen, die ihr Können und ihr ganzes Wesen ausmachte. Bevor man Sônia Bogner sah, hörte man schon ihr Lachen, sie tanzte („Samba
und Freestyle“), sie joggte bei Schnürlregen in Shorts durch den Cosimapark, war stolz auf die Sammlung ihrer Jeans, die sie je nach Tagesstimmung mit Louboutins oder Cowboy-Stiefeln trug. Ein Leben zwischen St. Moritz, Tegernsee, Rio und den USA, wo das Powerpaar Bogner gemeinsam zur Weltmarke aufbaut und der Name zum Synonym für die Skihose schlechthin wird. Und das Dreamteam übersteht auch die schlimmste Tragödie, die es für eine Familie geben kann: Weil das Paar keine Kinder bekommen kann, adoptiert es zwei Mädchen und einen Jungen aus Brasilien. Die kleine Maria-Isabell stirbt als Baby, Sohn Bernhard mit 17 Jahren.
Mit Sônia an seiner Seite erklomm Willy Bogner alle Gipfel – und wanderte durch alle Täler. Sie nannte ihn immer „Cri“, ein brasilianischer Kosename, und liebte es, mit ihm allein einen Berg hinaufzusteigen.
„Einfach immer weitergehen“, sagte sie dann fröhlich. Und jetzt ruft sie es ihrem Willy von ganz hoch droben zu: „Einfach immer weitergehen…“
SÔNIA WAR SCHON COOL, ALS ES DAS WORT NOCH GAR NICHT GAB … Mit Willy auf alle Gipfel – und durch tiefe Täler