Susanne Uhlen:
Warum sie mit der Schau-spielerei Schluss macht
Es ist schon spät und Susanne Uhlen hat einen langen Tag hinter sich. Als die Schauspielerin das Kölner Hotel „Im Wasserturm“betritt, strahlt sie eine gesunde Frische aus, als käme sie gerade von einem Waldspaziergang. Die 62-Jährige, die mit ihren Rehaugen und ihrer Zartgliedrigkeit noch immer mädchenhaft wirkt, hat einen Entschluss gefasst: Nach mehr als 50 Jahren erfolgreicher Karriere wird sie ihren Beruf aufgeben. In BUNTE erzählt der TV- und Theaterstar nun, welche Rolle ihre überstandene Brustkrebserkrankung bei dieser Entscheidung gespielt hat und welche Wünsche sie sich noch erfüllen will.
Haben Sie wirklich die Lust an der Schauspielerei verloren? Ich liebe den Beruf nach wie vor, aber meine Liebe dazu hat sich verflüchtigt. Ich kann nicht mehr dieselbe Begeisterung aufbringen wie früher und würde es für respektlos halten, den Beruf nur noch als Job auszuüben.
Was hat letztlich zu dieser Entscheidung geführt? Die ersten Zweifel kamen mir schon vor meiner Erkrankung. Damals habe ich oft darüber nachgedacht, ob ich noch auf dem richtigen Weg bin. Anfangs dachte ich, das sei eine Übergangsphase oder nur eine Unzufriedenheit, wenn ich mal in einer Produktion steckte, die ich nicht besonders mochte. Aber dann erkannte ich schließlich: Das Herzblut ist verloren gegangen. Vielleicht spiele ich mit 75 noch mal eine verrückte Alte, aber im Moment – nein.
Hat Sie diese Erkenntnis erschreckt? Eher verwundert, ich hätte mir nie vorstellen können, dass diese Liebe irgendwann vergeht.
Gab es Tränen? Nein, überhaupt nicht. Ich habe mit meinem Mann darüber gesprochen, und er hat immer gesagt: Entscheide du! Egal was du tust, ich unterstütze dich.
Als Sie geheilt waren, haben alle gedacht: Jetzt ist sie wieder da! Ja, und ständig wurde ich gefragt: Was machst du als Nächstes? Welche Rolle spielst du? Aber ich wollte mir noch Zeit lassen und fühlte mich durch diese Fragerei regelrecht bedrängt. Zudem hatte ich immer auch die Sorge, wenn ich eine Rolle absage, kommt sofort das Gerücht auf, ich sei wohl wieder erkrankt oder schaffe das nicht mehr. Deshalb suche ich jetzt auch ganz bewusst die Öffentlichkeit, um zu sagen: Ich höre auf, aber mir geht es gut.
Hat Ihre Krankheit diesen Entschluss beschleunigt? Ja, das war eine Zäsur. Ich habe mich gefragt: Soll mein Leben so weitergehen? Will ich etwas Neues anfangen? Die Krankheit und mein 60. Geburtstag – beide Ereignisse haben meine Entscheidung zweifellos schneller reifen lassen.
Fallen Ihnen große Entscheidungen schwer? Nein, nicht mehr. Ich habe gelernt, pragmatisch zu sein, weil ich sehr früh Mutter geworden war. Ich musste funktionieren und meine Familie absichern. Wenn man Verantwortung trägt, dann bleibt nicht viel Raum für Träumerei. Jetzt sind beide Söhne aus dem Haus, ich habe mir finanzielle Rücklagen geschaffen, ich habe einen Lebenspartner, der hinter mir steht. Das ist ein unschätzbares Privileg, das mir eine ganz neue Freiheit eröffnet.
Wie definieren Sie Ihre neue Freiheit? Ich habe jetzt noch 20, wenn der liebe Gott will, 30 Jahre – das ist doch toll! Mit dieser Zeit kann ich doch noch etwas anfangen – und zwar alles, was ich will!
Haben Sie während Ihrer Erkrankung ein anderes Verhältnis zur Zeit gewonnen? Ja, aber nicht, dass ich heute denke: Die Restzeit wird immer kürzer. Ich habe so vieles erlebt und geschafft! Und ich habe unendlich viel Gutes erfahren! Heute kann ich locker in die Zukunft schauen und mich ein bisschen treiben lassen. Ich bin entspannt und gelassen – aber trotzdem voller Fantasien und Neugier.
Sie klingen ja wie ein Teenager… So fühle ich mich! Irgendwie bin ich gerade wieder in einer Phase gelandet, wo man das Gefühl hat, die ganze Welt steht einem offen.
Vielleicht hatten Sie dieses Gefühl gar nicht mit 18? Stimmt. Damals war ich ja schon Schauspielerin, hatte Verpflichtungen und Verträge. Jetzt erlaube ich mir eine herrlich unbeschwerte Leichtigkeit, die ich bisher eigentlich noch nie erlebt habe.
Was sagt Ihr Mann dazu? Er findet es großartig, dass ich dieses Lebensgefühl zulasse. Glücklicherweise färbt es ein bisschen auf ihn ab. Manchmal schafft auch er sich seine kleinen Fluchten, zu denen ich ihn anstecke.
Welche Pläne haben Sie, was steht auf Ihrer Liste? Ich habe keine Pläne, ich habe auch keine Liste, die ich abarbeiten will. Auf alle Fälle werde ich weiterhin im Unternehmen meines Mannes mitarbeiten, wo ich mich in der Produktentwicklung engagiere. Neulich habe ich einen TV-Spot für eines unserer Produkte gedreht und Regie geführt. Das macht mir großen Spaß. Außerdem möchte ich mich verstärkt dem Tierschutz widmen. Ich bin wahnsinnig gern in der Natur, interessiere mich für jede Kreatur und jede Blume. Neulich war ich zusammen mit der Welttierschutzgesellschaft in Thailand. Dort gibt es eine mobile Tierklinik, die von Insel zu Insel fährt, um die enorm wachsende Population von verwilderten Katzen und Hunden unter Kontrolle zu bringen. Mein Sohn und ich haben einige Zeit mitgearbeitet. Von dieser Erfahrung waren wir beide total begeistert.
Macht Leidenschaft das Leben nicht wunderbar? Unbedingt! Ein Mensch, der keine Leidenschaft empfindet oder sie nur auf Liebe und Sex bezieht, ist arm.
Wofür brennen Sie noch? Ich lese wahnsinnig gern Krimis. Aber meine größte Leidenschaft ist die Natur. Wenn ich mit meinen vier Hunden im Wald spazieren gehe, sehe ich überall Schönes und entdecke Neues. Über den Winter habe ich zwei Igel durchgefüttert, die ich bald in die Natur entlasse.
Gibt es unerfüllte Pläne, die Sie vor sich hergeschoben haben? Ich habe zwischendurch immer mal wieder solche Dinge in Angriff genommen, wie eine Sprache zu erlernen oder wieder Gitarre zu spielen. Mein Mann, der ein fantastischer Musiker ist, hat versucht, es mir wieder beizubringen. Leider bin ich nicht drangeblieben. Außerdem schreibe ich gern – bisher nur für die Schublade. Aber wer weiß…
IHRE KRANKHEIT UND DER 60. GEBURTSTAG – BEIDES WAR EINE ZÄSUR