Viele Betroffene meiden den Gang zum Arzt aus SCHAM
ner Luftballon aus – bis zu 500 Milliliter kann sie fassen. Der Harndrang meldet sich allerdings schon früher. So gibt uns der Körper Gelegenheit, das „Abwasser“in einem passenden Moment loszuwerden. Manchmal aber schleichen sich Fehler in das System. Zum Beispiel wenn bei Männern die Prostata nicht mehr richtig arbeitet oder bei Frauen durch eine Schwangerschaft Geburt Muskeln und Bänder so stark beansprucht wurden, dass sie regelrecht ausgeleiert sind. Davor ist niemand gefeit, wie das Beispiel Kate Winslet zeigt: Die Schauspielerin plauderte in einer Talkshow offenherzig über die „kleinen Unfälle“, die ihr seit der Geburt ihrer drei Kinder oft beim Hüpfen oder Niesen unterlaufen. Auch Helena Bonham Carter bekannte nach „Harry Potter und der Halbblutprinz“: „Während der Dreharbeiten trug ich Inkontinenzeinlagen, weil mein Beckenboden nichts mehr halten konnte.“Beide sind in guter Gesellschaft. Neben ihnen rüttelten schon Beyoncé oder Debbie Reynolds (†2016) am Tabu, indem sie über ihre Beschwerden sprachen.
Kurzer Weg in die Blase: Frauen leiden häufiger
Zu den Blasenproblemen, mit denen sich vor allem Frauen herumschlagen, gehört auch die Zystitis. Statistisch gesehen leidet jede Frau mindestens einmal im Leben unter einer Blasenentzündung, bei manchen kehrt die Krankheit sogar immer wieder. „Typische Symptome sind Brennen beim
Wasserlassen, ziehende Schmerzen im Unterbauch, ständiger Harndrang und trüber Urin“, sagt Frauenärztin Struck. Zwar sind auch Männer nicht vor einer Entzündung gefeit, doch die Anatomie macht Frauen erheblich anfälliger: Ihre Harnröhre ist mit etwa vier Zentimetern Länge deutlich kürzer als die von Männern. Außerdem liegen After und Scheide so nah beieinander, dass Bakterien leichtes Spiel haben. Für sie ist die Harnröhre eine Art Highway, der direkt in die Blase führt.
Frauenärztin Struck und Urologin Bauer geben trotzdem Entwarnung: Normalerweise sei eine Blasenentzündung nicht gefährlich. Nur wenn Fieber, starke Schmerzen in der Nierengegend oder grippeähnliche Symptome auftreten, führt kein Weg am Arzt vorbei – es könnte eine Nierenbeckenentzündung drohen. Doch in der Regel lässt sich die Krankheit selbst behandeln. „Wer schon bei den ersten Anzeichen auf Ruhe, Wärme, reichlich Flüssigkeit und pflanzliche Präparate setzt, hat gute Chancen, die Entzündung schnell in den Griff zu bekommen“, sagt Struck. Prof. Bauer warnt außerdem davor, aus Angst vor Schmerzen beim Urinieren zu wenig zu trinken: „Gerade bei einer Entzündung ist Trinken wichtig, um die Bakterien aus Blase und Harnwegen zu spülen.“
Klingen die Beschwerden nicht ab oder werden schlimmer, ist ein Arztbesuch ratsam. Aber Vorsicht: „Lassen Sie sich nicht einfach Antibiotika verschreiben“, rät Struck. Jahrzehntelang waren die Keimkiller bei der Therapie erste Wahl, doch mittlerweile gilt der Einsatz längst nicht mehr in allen Fällen als gerechtfertigt.
Es geht auch ohne Antibiotika
„Oft schaden Antibiotika mehr, als sie nützen, denn sie fördern Resistenzen und verändern die Darmflora“, erklärt Bauer, die auch als niedergelassene Ärztin tätig ist. Tatsächlich belegen Studien, dass die Darmflora noch drei Monate nach einer einwöchigen Antibiotikatherapie Veränderungen aufweist. „Wir wissen aber mittlerweile, dass eine gesunde Flora in Darm und Scheide wichtig ist, um Blasenentzündungen zu bekämpfen“, sagt Bauer. Antibiotika setzen beide Ärztinnen deshalb nur noch in wenigen Fällen ein. „80 Prozent bekommt man ohne in den Griff“, sagt Struck. Dazu sei allerdings auch ein Umdenken nötig: „Viele schlucken das ja, um möglichst schnell wieder zu funktionieren. Aber eine langfristige Lösung sieht anders aus.“
Gerade bei immer wiederkehrenden Entzündungen sei Geduld gefragt. „Am besten probiert und kombiniert man in solchen Fällen verschiedene Ansätze“, rät Bauer. Davon gibt es einige: Impfungen, Autovaccine, Probiotika, östrogenhaltige und antibakterielle Cremes, pflanzliche Mittel und einen Wechsel der Verhütungsmethode zum Beispiel. „Spermizide oder Hormon-Spiralen etwa können Blasenentzündungen begünstigen, oft ist aber die Pille das Problem“, so Struck.
EINE GESUNDE DARMFLORA VERHINDERT BLASENENTZÜNDUNGEN