Wo LUTHER Geschichte geschrieben hat
HUBERTUS VON SACHSEN-COBURG UND GOTHA Sein Vorfahr gewährte dem Reformator Zuflucht auf der Veste Coburg. Im Luther-Jahr 2017 wird dies mit einer Reise in die Vergangenheit gefeiert …
Das waren lebensgefährliche Zeiten damals: Der Kaiser hatte Martin Luther (1483–1546) unter Reichsacht gestellt, jeder hätte ihn ungestraft töten können. Doch sein treuer Freund Johann der Beständige (1468–1532) hielt zu ihm. Der sächsische Kurfürst gewährte dem Reformator Zuflucht in seiner Residenz, der wehrhaften Veste zu Coburg, heute nördlichster Zipfel Bayerns. Hier saß der Professor im sogenannten LutherZimmer und verfolgte 1530 mit Spannung die Geschehnisse des legendären Reichstags zu Augsburg: Die evangelischen Fürsten und Reichsstädte überreichten dem katholischen Kaiser Karl V. (1500–1558) ihr neues Glaubensbekenntnis. Der in seinem Exil zur Untätigkeit Verdammte verfasste rastlos Brief um Brief, 120 an der Zahl, um die Geschehnisse zu beeinflussen. Man sieht ihn förmlich ungeduldig auf den Holzdielen auf- und abtigern und durch das Bleiglasfenster Ausschau nach dem berittenen Boten halten, der endlich Kunde aus Augsburg bringt! Hubertus Erbprinz von Sachsen-Coburg und Gotha, 41, ist direkter Nachfahre des Luther-Unterstützers Kurfürst Johann. Seine Familie residierte bis 1998 auf der Burg. Schon als Schüler besserte der Erbprinz sein Taschengeld mit Führungen auf. Attraktion: der sogenannte Säulentest, bei dem sich Touristinnen durch die engen Säulen der berühmten LutherKapelle zwängten. Denn nur das Burgfräulein, das hindurchpasste, galt als vermittelbar. Anlässlich der Landesausstellung „Ritter, Bauern, Lutheraner“nehmen er und Ehefrau Erbprinzessin Kelly, 42, BUNTE mit durch die Veste der Ahnen: Zum 500. Jubiläum lassen hier die Coburger Landesstiftung und das
Haus der Bayerischen Geschichte die turbulente Zeit der Reformation wieder auferstehen. „Im Luther-Zimmer ist man großer Geschichte quasi zum Greifen nah, steht an der Stelle, an der Luther vor 500 Jahren stand“, erklärt Erbprinzessin Kelly die Besonderheit. Wie hat der Reformator hier im Exil gelebt? „Recht feudal“, weiß der Erbprinz: „Seine Stube war beheizt. Leider gibt es keine Aufzeichnung über verspeiste Rebhühner, aber Luther war kein Kostverächter und genoss die Dienste des Hofkochs. Nur die krächzenden Krähen, die im Turm nisteten, gingen ihm auf die Nerven. Er schimpfte, sein Exil sei ‚das Reich der Vögel‘.“Ist die Familie stolz auf die Rolle, die Kurfürst Johann in der Reformationsbewegung gespielt hat? „Man muss ehrlich sagen, dass es ihm nicht nur um die Erneuerung der Kirche ging, sondern auch um die Chance, sich dadurch als Kurfürst unabhängig vom katholischen Kaiser zu machen. Aber seine liberale, aufgeklärte Denkweise ist ein Erbe, das wir bis heute pflegen.“Beispiel: die liberale Heiratspolitik des Hauses, die oft über Stand oder Konfession hinwegsah. Bekanntlich ist die Familie Sachsen-Coburg und Gotha mit beinah allen Königshäusern Europas verschwägert. Was nur wenige wissen: König Carl Gustaf von Schweden, 71, verbrachte auf der Veste die ersten Jahre seiner Kindheit und tollte durch eben jenes Luther-Zimmer! Denn Mutter Sibylla (1908–1972) war eine Coburger Prinzessin. Wenn heute ein roter Ferrari auf dem Besucherparkplatz steht, wissen die Coburger: der König ist auf Privatbesuch. Und weil die Heiratspolitik so liberal war, war es auch nie Thema, dass Hubertus als Erbprinz eines der wichtigsten Adelshäuser Europas eine bürgerliche Amerikanerin ehelichte. 2009 gab sich das Paar in der Coburger Morizkirche das Jawort. Hier hielt Luther einige seiner wichtigsten Predigten, weshalb sie einen Abstecher wert ist. PS: Die Kapelle des Familienschlosses Callenberg zählt ebenfalls zu den wichtigsten Luther-Kirchen des Landes. 2018 wird ihr 400-jähriges Bestehen mit einem Gottesdienst und der Aufführung eines verschollenen Musikstücks von Melchior Franck (1580–1639) gefeiert, das er 1618 zur Eröffnung gespielt hatte. Auf nach Coburg again!