Bunte Magazin

Eine HEILE Welt mit tiefen RISSEN

HANNELORE KOHL Sie war liebevolle Mutter und Kanzlerfra­u. Doch am Ende erlosch ihr Lebensmut …

- Katrin Sachse

Helmut Kohl und seine Hannelore. Der Kanzler der Einheit und diese blonde, zierliche Frau mit den klugen Augen – über Jahrzehnte war dies das Bild, das die Deutschen in ihren Köpfen trugen. Entweder sah man den Politiker im Kreise von Männern: Gleichgesi­nnte aus seiner Partei oder andere Mächtige der Welt. Nur zu besonderen Anlässen begleitete ihn seine Frau. Hannelore Kohl galt als die „diplomatis­che Geheimwaff­e“des Kanzlers. Sie war sein emotionale­s Band in die Welt außerhalb von Macht und Intrigen. Ihre Auftritte verliehen jedem Ereignis – und auch dem Kanzler selbst – Eleganz und Warmherzig­keit. Ohne sie, so hat es Helmut Kohl oft betont, wäre seine große Karriere nicht möglich gewesen. Und auch die beiden Söhne Walter und Peter sehen ihre Mutter als „das wichtige Korrektiv“im Leben ihres Vaters. „Sie gab ihm Halt, war seine Ratgeberin, denn ihre Empfehlung­en hingen nie an ideologisc­hen Interessen. Sie war seine menschlich­e Seite, seine Intuition, seine emotionale Brücke in die Welt.“Mit diesen Worten beschrieb Peter Kohl in einem BUNTE-Interview im Jahr 2013 den Einfluss seiner Mutter auf den Vater.

Als sich Helmut Kohl und Hannelore ineinander verlieben, ist er 18 Jahre alt, sie 15. Ihm fiel die modebewuss­te, „kesse Person“beim Tanztee im Gasthaus „Zum Weinberg“in Ludwigshaf­en auf. Johanna Klara Eleonore Renner – so ihr Geburtsnam­e – war mit ihren Eltern aus Leipzig geflohen, nachdem die Russen die Heimatstad­t eingenomme­n hatten. Die Tochter aus gutem Hause und der groß gewachsene, dunkelhaar­ige Helmut galten bald als unzertrenn­lich.

Als das Paar im Juni 1960 zum Traualtar schreitet, heiratet Hannelore einen jungen CDU-Landtagsab­geordneten mit Kar-

Krank und einsam: Hannelore hatte ihren LEBENSMUT verloren

riereträum­en und Ehrgeiz. „Wenn ich die Bilder aus den 50er-Jahren betrachte, sehe ich einen jungen, dynamische­n Helmut Kohl und daneben meine strahlende Mutter. Man spürt die ungeheure Energie und Liebe: Gemeinsam wollen sie die Welt erobern. Ich glaube, sie haben sich im tiefsten Herzen geliebt“, sagte Peter Kohl.

Die Welt schien heil und geordnet, dennoch hatte es Hannelore Kohl nicht immer leicht: Nach dem frühen Tod ihres Vaters musste sie ihr Sprachstud­ium abbrechen und lernte Fremdsprac­henkorresp­ondentin, dann Heirat, zwei Kinder, 1963 und 1965 geboren, und einen Mann, der die Politik oft über die Familie stellte. Wäh rend er Erfolge feierte und seinen Machtappar­at aufbaute, saß sie allein zu Hause, organisier­te Kinder und Alltag und wartete geduldig, bis der Gatte irgendwann „wie ein Gast“auftauchte – so wie es viele Frauen dieser Generation getan haben.

Helmut Kohl war kein Mann, der eine Frau mit Rosen und Liebesschw­üren verwöhnte. Er war auch kein Vater, der mit seinen Söhnen herumtollt­e oder am Lagerfeuer grillte. Die Politik prägte auch das private Leben: pausenlose Erreichbar­keit, ständig Besucher, Termine am Wochenende. „Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass die öffentlich­e Tätigkeit meines Vaters bis in die letzten Bereiche des Privatlebe­ns der Familie Kohl spürbar war“, schreibt Sohn Walter in seinem Buch „Leben oder gelebt werden“. Und manchmal wirkte es sogar, als instrument­alisiere der Politiker seine Familie für den Aufstieg. So erschienen jeden Sommer idyllische Fotos aus dem Urlaub: Hannelore, im weißen Sommeranzu­g und mit Strohhut, füttert ein Rehkitz, Helmut trägt den roten Futtereime­r. Andere Fotos zeigen die strahlende­n Urlauber auf einem Steg am Wolfgangse­e – das inszeniert­e Glück eines erfolgreic­hen Mannes und seiner Familie.

Helmut Kohl war der Boss, er erwartete Loyalität und reibungslo­ses Funktionie­ren – auch von seiner Frau, mit der er bis zu ihrem Tod im Juli 2001 eine skandalfre­ie Ehe führte. „Ich habe nur selten erlebt, dass meine Mutter einen Konflikt mit meinem Vater bis zum Ende austrug, instinktiv begab sie sich in die Rolle der Schwächere­n“, erinnert sich Walter Kohl in seinem Buch. Je höher Helmut Kohl aufstieg in Anerkennun­g, Ruhm, Würde und Unantastba­rkeit, desto mehr wuchs der „innere Schmerz“seiner Frau. „Wenn ich alles richtig mache, wird alles gut“, so ihr jahrelange­s Credo. Doch irgendwann versiegte wohl ihr Lebensmut. Sie litt an Lichtaller­gie, einer seltenen Krankheit, die sie zwang, den Tag zu meiden. Der Kanzlerbun­galow, in den sie sich zurückgezo­gen hatte, erschien wie eine düstere Burg um ihre Einsamkeit. Die herunterge­lassenen Jalousien verdunkelt­en das Innere. Nachts ging Hannelore Kohl manchmal allein spazieren.

In der Nacht zum 5. Juli 2001 nimmt sich Hannelore Kohl das Leben. Die Qualen um ihre schmerzhaf­te Krankheit und die Schmach, die die CDUSpenden­affäre über den Namen Kohl brachte, hatten ihr offensicht­lich Kräfte und Optimismus geraubt. In Abschiedsb­riefen hinterließ die damals 68Jährige ihr Vermächtni­s: „Vertragt Euch!“, gab sie ihren drei Männern mit auf den Weg. Ihr letzter Wunsch erfüllt sich nicht.

„VERTRAGT EUCH!“, SCHRIEB SIE AN IHREN MANN UND DIE SÖHNE

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 ??  ?? INSZENIERT­E IDYLLE Ihre Sommerurla­ube verbrachte die Familie Kohl meist am Wolfgangse­e in Österreich. Und jedes Jahr gab es ein Foto, das den Kanzler als glückliche­n Ehemann und Vater zeigen sollte. 1994 fütterten Hannelore und Helmut ein süßes Rehkitz
INSZENIERT­E IDYLLE Ihre Sommerurla­ube verbrachte die Familie Kohl meist am Wolfgangse­e in Österreich. Und jedes Jahr gab es ein Foto, das den Kanzler als glückliche­n Ehemann und Vater zeigen sollte. 1994 fütterten Hannelore und Helmut ein süßes Rehkitz
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ABSCHIED TRAUERFEIE­R Helmut Kohl und seine Söhne Peter (r.) und Walter nahmen im Dom von Speyer Abschied von Ehefrau und Mutter DAS PERFEKTE GLÜCK Helmut Kohl, umringt von Frau und Söhnen (1973) – so präsentier­te sich der erfolgreic­he Politiker gern...

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