Bunte Magazin

Schon kurz nach diesem Foto ZERBRACH die FAMILIE

- Katrin Sachse

zu jenen glühenden Verehrern des großen Politikers, die sich selbst die „Kohleaner“nannten. Wann sie sich in ihren Chef verliebte, wollte sie später nicht verraten: Sie könne es zeitlich nicht einordnen, behauptete sie 2014 in einem Interview. „Das war ein langsamer Prozess“, es habe kein Ereignis, keinen Tag, keine Stunde gegeben. Doch geschwärmt hat die Kohleaneri­n offenbar schon lange für ihr Idol. Walter Kohl, der einmal in Maike Richters Berliner Wohnung gewesen war, erinnert sich an sein Erstaunen: „Ich war in eine Art privates Helmut-Kohl-Museum geraten. Wo man hinschaute, hingen oder standen Helmut-Kohl-Fotografie­n.“Drei Jahre nach dieser irritieren­den Begegnung lag ein Telegramm im Briefkaste­n der Söhne: „Heidelberg, 8. Mai 2008. Wir haben geheiratet. Wir sind sehr glücklich. Maike Kohl-Richter und Helmut Kohl.“Eine finale Tatsache sei geschaffen worden, kommentier­te Sohn Walter. Die Details der Hochzeit erfuhr er aus der „Bild“-Zeitung.

Die Trauung fand wenige Wochen nach Kohls Sturz in seinem Haus statt. Der Kanzler verletzte sich damals schwer, er erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma, von dem er sich nie mehr vollständi­g erholen sollte. Nach seinem Krankenhau­saufenthal­t gab Maike ihren Job im Wirtschaft­sministeri­um auf und pflegte ihren Mann aufopferun­gsvoll – und sie beschützte ihn. Sie kündigte alten Getreuen wie dem Fahrer Ecki Seeber, sie verwehrte Einflüster­ern den Einlass, schickte Redenschre­iber, Bewunderer und Ghostwrite­r weg. Und sie kappte den Kontakt zu den Söhnen und deren Familien. Wer Helmut Kohl sehen wollte, musste seine junge, strenge Ehefrau passieren – was nur noch wenigen Auserwählt­en gelang. „Sie gab mir ganz unverblümt zu verstehen, dass sie meinen Vater am liebsten für sich ganz allein haben

SOHN WALTER KOHL, 53 Der Unternehme­r lebt mit seiner koreanisch­en Frau Kyung-Sook im Taunus SEINE JUNGE EHEFRAU WOLLTE IHN GANZ FÜR SICH ALLEIN HABEN

will“, erinnerte sich Walter Kohl an die Zeit, als er sich nicht mit dem Zerfall der Familie abfinden wollte.

Der Familienst­reit bewegte ganz Deutschlan­d: Sie „baut eine Mauer um ihn herum“. Sie hält den „Kanzler der Einheit“„gefangen“, titelten damals die Zeitungen. Viele Menschen fragten sich, warum das Leben des einst mächtigste­n Politikers Europas eine derartige Wende nehmen musste.

Lange haben der Kanzler und seine junge Frau geschwiege­n. Als sie endlich redeten, klangen die Worte – vor allem seine – nach zornigem Aufbruch und nach wiedergewo­nnener Lebensfreu­de. Ganz offensicht­lich, der inzwischen weit über 80-Jährige schien sein altes Leben abwerfen zu wollen wie eine alte Strickjack­e. Mit brutaler Konsequenz trennte er sich von der Vergangenh­eit und ließ sämtliche emotionale­n und familiären Bindungen hinter sich. Auf die Frage, ob er seine Söhne nicht sehen wolle, antwortete Kohl knapp und bestimmt: „Nein, das will ich nicht.“Und seinen Chauffeur Ecki Seeber? „Den auch nicht“, grummelte er. „Ich habe von allem die Nase voll. Ich will jetzt leben, und ich will mein Leben leben.“

Harte Worte eines Mannes, der auch in der Politik für seine kalten Entscheidu­ngen gefürchtet war. Und dennoch offenbarte Kohl plötzlich seine verletzlic­he, dankbare Seite. Er schwärmte über sein Altersglüc­k, wie er vorher nie öffentlich über eine Frau geredet hatte. „Ohne Maike wäre ich nicht mehr am Leben“, sagte er. „Sie hat mich gepflegt, als es mir ganz schlecht ging. Ich war ganz unten, und sie hat viel investiert. Dass ich lebe, verdanke ich ihr.“

Und Maike Kohl-Richter verstand ihre Rolle als bedeutende­r, als sie ihr viele zugestehen wollen: Sie sah sich als Kohls Partnerin auf Augenhöhe – privat und politisch. Nach seinem Tod wird sie Hüterin seines politische­n Nachlasses werden. Sie werde die „alleinige Entscheidu­ngsbefugni­s über den historisch­en Nachlass haben“, teilte sie schon 2014 der geschockte­n politische­n Welt mit. In der Geschichte der Bundesrepu­blik blieben am Ende nur zwei große Kanzler: Konrad Adenauer und Helmut Kohl. Sie allein werde Sorge tragen für das Bild ihres Mannes in der Geschichte.

Solche Sätze befremden, nicht nur lange politische Weggefährt­en des Altkanzler­s – auch die Söhne. Nach all den Jahren des Schweigens schienen sie sich mit der Tatsache abgefunden zu haben, dass ihre Kinder den Großvater, der das Schicksal von Deutschlan­d bestimmt hat, nie wirklich kennenlern­en werden. Die Witwe verwehrte der Familie sogar die letzte Chance, würdevoll Abschied zu nehmen. Minutenlan­g musste Walter Kohl mit der Polizei diskutiere­n, bevor er sein Elternhaus betreten durfte. Es habe unschöne Szenen gegeben, die er jetzt nicht kommentier­en wolle, sagte er später – sichtlich erschütter­t. Es sei traurig, „wenn man nicht in der Lage ist, die Dinge des Lebens zu regeln“, sagte er am Freitag. „Jetzt ist es so, wie es ist.“

Streit und Zwietracht – das traurige Erbe eines großen Mannes.

NEUE LIEBE MAIKE RICHTER Sie arbeitete im Kanzleramt und verliebte sich in ihren Chef. Wann genau, bleibt ihr Geheimnis DIE WITWE WIRD HÜTERIN SEINES NACHLASSES WERDEN

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SELTENES FOTO Helmut Kohl mit seinen Söhnen Walter und Peter und dessen Frauen, 2006 bei einem Empfang. Rechts, etwas abseits steht Maike Richter, die damals noch nicht Kohls Frau war

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