KRISENGIPFEL Er muss sein Gesicht zeigen
Persönliche Dramen bleiben im Blick eines Menschen hängen. So wie bei Anton Schlecker. Seit März muss der Gründer der Drogeriemarktkette, dem betrügerischer Bankrott vorgeworfen wird, jede Woche das Spalier der Fotografen und Neugierigen im Stuttgarter Landgericht durchlaufen. Während er in Saal 18, einem dunklen Raum mit tief hängender Decke, auf der Anklagebank sitzt, sezieren Dutzende Zuschauer – darunter immer auch einige Schlecker-Frauen – jede Mimik und jeden Seufzer des Pleitiers. Schlecker, einst Patriarch und pingeliger Chef, muss sich alle Nuancen seines Fehlverhalten vorhalten lassen. Reden darf er nur, wenn der Richter ihm das Wort erteilt.
Jede einzelne Stunde scheint den 72-Jährigen zu quälen, man sieht es ihm an. Der einstige „Drogeriemarktkönig“, der früher schrille Hemden trug und die dünnen Haare in ein seltsames Rotblond färbte, ist seit Prozessbeginn sichtlich gealtert: das Haar schlohweiß, leere Augen, fahle Haut und die gebeugte Haltung eines Mannes, dem Leid auf den Schultern lastet.
Als Schlecker ein Imperium mit 14000 Filialen in 17 Ländern regierte, lebte er nahezu unsichtbar. Seinen Reichtum genoss er hinter hohen Mauern. Heute, am Tiefpunkt seines Lebens, muss der gefallene König sein Gesicht zeigen: In seinen Augen sieht man die Angst eines Mannes, dem Gefängnis droht.