Charles Schumann:
ist eine BarLegende. Warum er allein lebt und ein idealer Botschafter wäre, erzählt er im BUNTE-Interview
Nina Ruge im Gespräch mit der Barkeeper-Legende
Ruppig sei er, sagen die einen. Unglaublich charmant sei er, hört man von den anderen. Seit über 40 Jahren fasziniert und provoziert Charles Schumann, 76. Seine „Schumann’s Bar“ist Hotspot, Wohnzimmer und Laufsteg für seine Gäste, die berühmten und die unbekannten, die Münchener und die Touristen.
Den Cocktailshaker hält der drahtige Schumann nur noch selten in der Hand. Aber er ist da, sichtbar und präsent, und das jeden Tag: morgens in seiner „Tagesbar“an den Fünf Höfen in der Münchener Innenstadt und dann bis spät in die Nacht in seiner Bar am Hofgarten. Doch statt Dauerparty herrscht im Leben des legendären Barmannes eine fast biedere Routine. „Mein Tag sieht immer gleich aus“, erzählt er Nina Ruge. „Ich wache um vier Uhr auf und lerne eine Stunde japanische Grammatik. Um acht gehe ich aus dem Haus und vor elf Uhr abends nie nach Hause. Am späten Nachmittag schlafe ich manchmal eine halbe Stunde. Und ich mache zwei-, dreimal in der Woche Sport, Laufen und Boxen, damit ich so einen Tag überhaupt durchhalte.“Für eine Frau ist da kein Raum. „Für Menschen, die eine Arbeit wie meine machen und schon lange Zeit allein leben, ist es das Beste, wenn sie auch allein bleiben. Wer möchte schon in meine Wohnung ziehen? Ich habe nur Zeitungen, ein Klavier, Bücher und 1000 Anzüge von Baldessarini.“
Einsam ist er nicht, seine Arbeit lastet ihn aus. Fragt man ihn nach seiner Jobbeschreibung, sagt er: Gastgeber. „Manchmal kommt es so rüber, als würde ich das gar nicht mögen – das stimmt teilweise. Ich habe ein Gespür dafür, mit wem ich was zu tun haben möchte und mit wem nicht. Ich war noch nie ein Menschenfreund. Menschenkenner, das schon eher. Man braucht ein paar Freunde, aber Freundschaften muss man pflegen. Und das mache ich nicht, denn das bisschen Freizeit, das ich habe, wird immer weniger.“
Kriegskind war er, 1941 als Sohn eines Bauern in der Oberpfalz geboren. Pfarrer sollte er werden, ging dann lieber zum Bundesgrenzschutz, wurde Bodyguard für Konrad Adenauer. „Ich hatte nie einen Plan, ich bin in alles reingeschlittert. Doch es hat mich immer geärgert, dass ich kein Abitur hatte. Das habe ich dann nachgemacht, weil ich plötzlich die Idee hatte, Botschafter zu werden“, sagt er. Er studierte in Montpellier, lernte Französisch, jobbte in Diskotheken und bewarb sich für den Auswärtigen Dienst. Erfolglos. „Darüber könnte man ein Buch schreiben: Wie ich es immer wieder versucht habe und nicht genommen wurde“, erinnert er sich. Heute, mit vielen Jahren Abstand, erkennt er, dass er damals wohl nicht für diesen Beruf geeignet war – heute hingegen schon: „Jetzt habe ich ein Leben hinter mir. Denn ich habe die Gabe, Menschen zusammenzubringen. Und kann mit jedem reden, wenn er nicht grad Chinesisch spricht.“
1982 eröffnete er in München sein „Schumann’s“, wahrscheinlich Deutschlands berühmteste Bar. Eigentlich, sagt er, müsse er jetzt gehen. Nicht nur, weil er ein Auslaufmodell sei, sondern weil es noch unerfüllte Träume gibt. „Man sagt immer: Das mache ich irgendwann mal. Mein Lieblingssatz ist: Wenn ich es jetzt nicht mache, mache ich es nie.“Die Strandbar an der französischen Atlantikküste, von der er seit 35 Jahren spricht? Zu spät. Und wer würde seine Nachfolge antreten? Er hat einen Sohn – vielleicht der? Schumann schüttelt den Kopf. „Marvin wird’s nicht machen. Obwohl er das Talent hätte, weil er ein bisschen mehr im Kopf hat und nicht so emotional ist wie ich. Aber er macht Musik und wenn er damit gut leben kann, soll er keine Bar machen.“Und fügt hinzu: „Manchmal denke ich: Ich bin doch ein großer Spießer, der im Grunde nicht sagt: Jetzt geht’s noch mal rund. Aber eigentlich könnte ich es endlich mal versuchen.“Klingt, als hätte Charles Schumann noch was vor …
MEIN LIEBLINGSSATZ IST: WENN ICH ES JETZT NICHT MACHE, MACHE ICH ES NIE“