SENTA BERGER ÜBER IHR #METOO-ERLEBNIS IN AMERIKA
… und ihr erstes Mal in BUNTE
Sie gehört zur BUNTE-Familie seit Anfang der 1960er-Jahre: Senta Berger, 76, Star des deutschen Kinos („Willkommen bei den Hartmanns“) und Fernsehens (14.4., „Unter Verdacht“im ZDF) mit Hollywood-Karriere. Ehefrau des Regisseurs Michael Verhoeven, 79, Mutter der Regisseure Simon, 45, und Luca Verhoeven, 38.
Wissen Sie noch, wann Sie das erste Mal in BUNTE waren? Da war ich gerade 20 Jahre alt und der Herr Senator Burda (der Gründer der BUNTE, d. Red.) hat einen Bal paré in München organisiert. Er hatte sich ausgedacht, dass er nicht nur die etablierten Schauspieler einlädt wie Heinz Rühmann und O. W. Fischer und auch die Romy, sondern auch die jungen wie Götz George, Elke Sommer und mich. Meine Mutter hat mir das einzige Kleid, das ich bei so einer Gelegenheit habe anziehen können, aus Wien geschickt. Mit dem Paket bin ich zum „Bayerischen Hof“gefahren, hab mich auf der Toilette umgezogen und dann wurde ich beim Bal paré großartig vorgestellt. So kam ich zum ersten Mal in die BUNTE.
Ein paar Jahre später unterschrieben Sie bereits einen Vertrag in Hollywood. Wie haben Sie das in Erinnerung? Ich habe das immer mit großer Distanz gesehen. Vermutlich auch, weil mein Weggehen aus Europa zusammengefallen war mit meiner ersten Begegnung mit Michael Verhoeven, den ich doch beeindruckend und faszinierend und erotisch gefunden habe. Ich konnte ihn nicht lassen und er mich nicht, sodass wir beide diesen Aufenthalt in Amerika aus diesem Blickwinkel gesehen haben.
In Amerika wurden Sie als Star empfangen? Ich staune heute darüber, aber ich war wirklich nicht beeindruckbar. Ich glaube, ich habe von meiner Mutter eine Art Unterscheidungsvermögen geerbt, was ist wichtig, was nicht. Sehr bald ging mir diese Limousine, die mich morgens zum Drehen brachte, sehr auf den Geist. Ich war jung! Ich hab mir einen VW gekauft und die haben mich auch fahren lassen. Gleichzeitig habe ich mich nach Europa zurückgesehnt, weil ich mir gedacht habe: Was wird hier aus mir?
Hollywood ist mittlerweile bekannt für Sexual Harassment gegenüber Schauspielerinnen. Haben Sie so etwas erlebt? Das hat es damals natürlich auch gegeben. Wo ich es erlebt habe, ging es nicht um eine Rolle, sondern ich hatte die Rolle schon. Der Produzent Darryl F. Zanuck (Gründer von 20th Century Fox, d. Red.) hatte es darauf abgesehen, mich zu demütigen. Das ging so: „Deine Leute haben meine Leute umgebracht, you little Fräulein!“
Auf einem festlichen Ball in München wurde Senta Berger der Gesellschaft vorgestellt
Das hatte sehr viel zu tun mit Verächtlichmachung. Ich bin völlig unvorbereitet in diese Situation gekommen. Ich war 23 Jahre alt, ich hatte ein besonders schönes Kleid mit dazu passenden Schuhen angezogen und habe Herrn Zanuck auf seinen Wunsch in seiner Suite im „St. Regis“-Hotel in New York besucht. Er wollte mit mir einen langjährigen Vertrag diskutieren. Und dann kam es zu dieser geradezu lächerlichen Szene. Er bedrängte mich, ich wich aus, es ging immer um den Tisch herum, den Herr Zanuck bereits auf das Feinste hatte decken lassen. Ich dachte nur, wie komm ich hier wieder raus und hoffentlich ist die Türe nicht abgesperrt. Es gab noch ein kleines Gerangel, in dem ich einen meiner Schuhe verlor, ich dachte noch, was glaubt dieser Mann eigentlich, der mein Großvater sein könnte – und dann war ich endlich draußen auf dem Hotelflur. Ich bin dann mit einem Schuh die Fifth Avenue entlanggestolpert, zurück ins „Sherry-Netherland“, und dort habe ich meinen Agenten angerufen und er hat gesagt: „Ach, Kinderl, jetzt wirklich, nimm das nicht so ernst!“Am nächsten Tag kamen 100 rote Rosen und mein Schuh. Ich habe das schon 2006 in meinem Buch explizit beschrieben.
„Ich habe ja gewußt, dass ich fliegen kann: Erinnerungen“(Ullstein, 9,95 Euro) ist das Buch, von dem Senta Berger spricht: Zanuck, schreibt sie, empfing sie 1964 im seidenen Morgenmantel, den er bald öffnete. Er titulierte sie als „Nazi-Mädel“, was ihn offenbar erregte. Er war nicht der Einzige, der ihr ungebeten zu nahe kam. Berger beschreibt unter anderem, wie im Sommer 1961 O. W. Fischer, mit dem sie „Es muss nicht immer Kaviar sein“drehte, sich im Hotel „Negresco“in Nizza keuchend auf sie stürzte, ihr Bluse und Hose aufriss und sie sich nur mit einer schallenden Ohrfeige und artistischer Finesse aus seiner Umklammerung befreien konnte.
Hat sich da inzwischen etwas verändert? Als mein Buch vor einigen Jahren erschienen ist, habe ich niemals eine Reaktion von anderen Frauen darauf gehört. Das hat mich gewundert. Insoweit denke ich, dass sich jetzt wirklich etwas verändert, jetzt wird geredet. Es könnte die wichtigste gesellschaftliche Debatte seit den 68er-Jahren werden. Wobei sich vieles reingemischt hat, was nicht reingehört. Wenn ein Mann nicht weiß, was Manieren sind, ist das mit einem Gesetz nicht zu verordnen. Und wenn einer sich daran erfreut, dass ein junges Mädchen errötet, weil er ihr einen dreckigen Witz erzählt, ist das einfach nur ordinär, aber deswegen muss er nicht angezeigt werden.
Glauben Sie, Harassment ist ein vorwiegend amerikanisches Phänomen? Aber nein. Gerade die berufliche Abhängigkeit von Freiberuflichen wird ausgenutzt. Überall.
Aus den 70ern stammt der BUNTE-Titel mit Ihrem damals zweijährigen Sohn Simon im Arm. Wie war es, das jetzt wiederzusehen? Ich war gerührt. Ich war so stolz auf mein Kind, ich hätte es der ganzen Welt zeigen mögen und ich hab’s halt der BUNTE gezeigt. Es ist schön, dass wir das jetzt haben als Dokument. Eine schöne Erinnerung ist auch der Bericht über meinen Besuch bei der sozialdemokratischen Regierung in Bonn. Das war eine Idee von dem Regisseur Alexander Kluge, der die Filmförderung erdachte. Er sagte mir: „Du musst den Politikern zeigen, wie wichtig der deutsche Film ist. Auch für sie.“Willy Brandt zündete mir eine Zigarette an, wie ich in BUNTE sehe.
Sind Sie heute noch etwas mehr stolz auf Simon, der inzwischen BAMBI-Preisträger ist? Ich habe mir schon mehrfach Rügen von Simon eingehandelt, weil ich das Wort „Stolz“so ungern benutze. Ich freue mich, dass er den Weg gewählt hat, der ihn glücklich macht. Er kann auf sich stolz sein. Und sein Bruder Luca, der einen Animationsfilm vorbereitet, kann ebenso stolz auf sich sein. Ja, gut – und ich bin auch stolz auf die beiden.
#metoo könnte die wichtigste Debatte seit den 68er-Jahren werden, glaubt Senta Berger