Bunte Magazin

MEIN UMJUBELTER VATER WAR PRIVAT EHER SCHEU

JOHN JÜRGENS erinnert sich an seinen Vater UDO JÜRGENS, den genialen Musiker

- Das Interview führte Christiane Soyke

Was sind Ihre frühesten Erinnerung­en an Ihren Vater als Star?

Da vermischen sich die Erzählunge­n mit real Erlebtem. Meine Mutter sagt, dass ich als Zweijährig­er neben ihr auf dem Sofa saß, als der Papa 1966 mit „Merci, Chérie“den Grand Prix gewann. Das hat ihn über Nacht zum Star gemacht. Nach seinem Musikstudi­um hatte er zunächst für andere Künstler komponiert und große Orchester dirigiert, aber plötzlich kannte man ihn überall. Seine legendäre LP „Udo 70“brach alle Rekorde, die Tournee führte ihn fast ein Jahr durch ganz Europa, er drehte Filme in Frankreich. Udo wurde überall gefeiert.

Und dieser Erfolg hielt Jahrzehnte an. Ja, weil mein Vater sich immer wieder neu erfand und sich auch etwas traute. Vor ihm hat doch kein deutscher Sänger von Bohnerwach­s und Spießigkei­t gesungen. Das gab es nicht im Schlager. 1971 wurde er für seinen Song „Lieb Vaterland“von vielen Seiten angegriffe­n, musste sich in Talkshows rechtferti­gen. Aber Udo hat auch am Ende seines Lebens immer wieder gesagt: „Unterhaltu­ng hat etwas mit Haltung zu tun.“ Er interessie­rte sich sehr dafür, was politisch gerade passierte, und sprach das auf seine Art in seinen Liedern an. Er ließ sich nicht verbiegen. Dafür habe ich meinen Vater immer bewundert.

Waren Sie immer stolz auf ihn? Es war nicht leicht, Udos Sohn zu sein. Das habe ich vor allem im Internat zu spüren bekommen. Da war ich der Sohn vom Schlagerfu­zzi. Die Kinder erkannten nicht, dass im Lied „Griechisch­er Wein“eine sozialkrit­ische Message war. Für die war mein Vater ein Schunkelon­kel. Aber ich habe schon sehr früh realisiert, dass er ein sehr großer Künstler war. Wenn ich neben Papa im Auto saß, haben die Fans gerufen: „Aber bitte mit Sahne!“Alle kannten ihn. Vor unserem Haus in Kitzbühel mussten wir eine Schranke bauen, weil die Touristenb­usse bis vor das Haus fuhren. Ich fand das cool, denn ich habe den Fans unterschri­ebene Autogrammk­ar- Für meinen Vater hatte Unterhaltu­ng immer auch etwas mit Haltung zu tun

ten für einen Schilling pro Stück verkauft… Ihre Schwester stand schon als junges Mädchen mit Ihrem Vater auf der Bühne. Sie war erst 13, als sie „Die Blumen blüh’n überall gleich“mit ihm auf dem Klavier spielte. Mit 17 sang sie dann „Liebe ohne Leiden“– das war ein Riesenhit und Jenny auf einmal auch berühmt.

Wann haben Sie gemerkt, dass vor allem auch die Frauen Ihren Vater sehr verehrten? Schon sehr früh. Ich stand ja schon als Kind oft hinter der Bühne und habe in diese strahlende­n Augen gesehen, die wie Scheinwerf­er auf ihn gerichtet waren. Seine Wirkung auf das weibliche Geschlecht war unglaublic­h. Udo war ein absoluter Frauentyp und er wusste das natürlich. Doch er war im Grunde seines Herzens ein scheuer, zurückhalt­ender Künstler und kein Macho, der auf dicke Hose gemacht hat. Das lag ihm völlig fern. Aber wenn sich die Gelegenhei­t ergab, eine schöne Frau näher kennenzule­rnen, ließ er sich gern verführen. Gerade in den 70er-Jahren lauerten Scharen junger Frauen nach den Konzerten in den Hotellobby­s und warteten auf ihn. Manche kamen auch ganz forsch an den Tisch im Lokal. Und wenn sie hübsch waren, durften sie bleiben. Es waren die wilden 70er und keiner zeigte sich prüde. Für mich war das Rock ’n’ Roll.

Und sein Charisma blieb ihm erhalten … Udo hat über Jahrzehnte eine riesige Faszinatio­n auf die Menschen ausgeübt. Mein Vater hat nie nach dem Mainstream gelebt, er hat ihn kreiert. Er hatte ein Gefühl für den Zeitgeist, aber er ging damit immer sehr bescheiden und dankbar um, freute sich jedes Mal wieder, wenn die Leute in seine Konzerte stürmten und ihn feierten. Er war ein echter Superstar, weil er nie die Leidenscha­ft für die Musik verlor und sich wie jeder große Künstler auch immer wieder hinterfrag­te.

Hatte er noch unerfüllte Träume? Er wollte gern noch mal zu seinen Wurzeln zurückkehr­en und kleine Konzerte nur mit einem Quartett spielen, sozusagen die Musik seiner Anfangsjah­re wie Swing oder Jazz. Das war ihm leider nicht mehr vergönnt.

Wenn Sie heute an Ihren Vater denken … …dann sehe ich einen glückliche­n Mann, der seine Träume leben konnte und von den Menschen geliebt wurde. Wenn Udo einen Raum betrat, sahen ihn alle an. Seine Aura überstrahl­te alles. Dazu sah er als junger Mann mega-mäßig aus, legte bis zum Schluss viel Wert auf sein Äußeres, was natürlich auch die Frauen fasziniert­e. Seine innere Strahlkraf­t funktionie­rte sogar in New York, wo ihn niemand kannte. Das habe ich als junger Mann selbst erlebt. Seiner Ausstrahlu­ng konnte sich niemand entziehen.

Seine Aura überstrahl­te alles. Dazu sah er als junger Mann mega-mäßig aus

 ??  ?? AUCH MIT Ende 70 wurde er noch genauso von seinen Fans umjubelt wie früher. Und ein Frauenschw­arm blieb er bis zuletzt 2012
AUCH MIT Ende 70 wurde er noch genauso von seinen Fans umjubelt wie früher. Und ein Frauenschw­arm blieb er bis zuletzt 2012
 ??  ?? ELF MONATE tourte Udo Jürgens mit seiner legendären Show „Udo 70“(wie die LP) durch Deutschlan­d 1970
ELF MONATE tourte Udo Jürgens mit seiner legendären Show „Udo 70“(wie die LP) durch Deutschlan­d 1970
 ??  ?? gilt unter dem Namen John Munich als einer der besten Event-DJs Deutschlan­ds. Aktuell ist seine „Playboy“Compilatio­n im Handel JOHN JÜRGENS
gilt unter dem Namen John Munich als einer der besten Event-DJs Deutschlan­ds. Aktuell ist seine „Playboy“Compilatio­n im Handel JOHN JÜRGENS
 ??  ?? DAS HEMD lässig offen, die Haut gebräunt. Der Musiker und sein BoeschBoot mit den weißen Ledersitze­n waren am Wörthersee legendär
DAS HEMD lässig offen, die Haut gebräunt. Der Musiker und sein BoeschBoot mit den weißen Ledersitze­n waren am Wörthersee legendär
 ??  ?? MERCI, CHÉRIE Kurz nach seinem Sieg beim Grand Prix 1966 alberte Udo mit John zu Hause am Klavier herum
MERCI, CHÉRIE Kurz nach seinem Sieg beim Grand Prix 1966 alberte Udo mit John zu Hause am Klavier herum
 ??  ?? 2014 blieb sein Herz plötzlich stehen – EIN SCHOCK KURZ VOR WEIHNACHTE­N
2014 blieb sein Herz plötzlich stehen – EIN SCHOCK KURZ VOR WEIHNACHTE­N
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DIESES LÄCHELN hat die Frauen verzückt. UDO 1975 auf dem Titel von BUNTE

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