MEIN UMJUBELTER VATER WAR PRIVAT EHER SCHEU
JOHN JÜRGENS erinnert sich an seinen Vater UDO JÜRGENS, den genialen Musiker
Was sind Ihre frühesten Erinnerungen an Ihren Vater als Star?
Da vermischen sich die Erzählungen mit real Erlebtem. Meine Mutter sagt, dass ich als Zweijähriger neben ihr auf dem Sofa saß, als der Papa 1966 mit „Merci, Chérie“den Grand Prix gewann. Das hat ihn über Nacht zum Star gemacht. Nach seinem Musikstudium hatte er zunächst für andere Künstler komponiert und große Orchester dirigiert, aber plötzlich kannte man ihn überall. Seine legendäre LP „Udo 70“brach alle Rekorde, die Tournee führte ihn fast ein Jahr durch ganz Europa, er drehte Filme in Frankreich. Udo wurde überall gefeiert.
Und dieser Erfolg hielt Jahrzehnte an. Ja, weil mein Vater sich immer wieder neu erfand und sich auch etwas traute. Vor ihm hat doch kein deutscher Sänger von Bohnerwachs und Spießigkeit gesungen. Das gab es nicht im Schlager. 1971 wurde er für seinen Song „Lieb Vaterland“von vielen Seiten angegriffen, musste sich in Talkshows rechtfertigen. Aber Udo hat auch am Ende seines Lebens immer wieder gesagt: „Unterhaltung hat etwas mit Haltung zu tun.“ Er interessierte sich sehr dafür, was politisch gerade passierte, und sprach das auf seine Art in seinen Liedern an. Er ließ sich nicht verbiegen. Dafür habe ich meinen Vater immer bewundert.
Waren Sie immer stolz auf ihn? Es war nicht leicht, Udos Sohn zu sein. Das habe ich vor allem im Internat zu spüren bekommen. Da war ich der Sohn vom Schlagerfuzzi. Die Kinder erkannten nicht, dass im Lied „Griechischer Wein“eine sozialkritische Message war. Für die war mein Vater ein Schunkelonkel. Aber ich habe schon sehr früh realisiert, dass er ein sehr großer Künstler war. Wenn ich neben Papa im Auto saß, haben die Fans gerufen: „Aber bitte mit Sahne!“Alle kannten ihn. Vor unserem Haus in Kitzbühel mussten wir eine Schranke bauen, weil die Touristenbusse bis vor das Haus fuhren. Ich fand das cool, denn ich habe den Fans unterschriebene Autogrammkar- Für meinen Vater hatte Unterhaltung immer auch etwas mit Haltung zu tun
ten für einen Schilling pro Stück verkauft… Ihre Schwester stand schon als junges Mädchen mit Ihrem Vater auf der Bühne. Sie war erst 13, als sie „Die Blumen blüh’n überall gleich“mit ihm auf dem Klavier spielte. Mit 17 sang sie dann „Liebe ohne Leiden“– das war ein Riesenhit und Jenny auf einmal auch berühmt.
Wann haben Sie gemerkt, dass vor allem auch die Frauen Ihren Vater sehr verehrten? Schon sehr früh. Ich stand ja schon als Kind oft hinter der Bühne und habe in diese strahlenden Augen gesehen, die wie Scheinwerfer auf ihn gerichtet waren. Seine Wirkung auf das weibliche Geschlecht war unglaublich. Udo war ein absoluter Frauentyp und er wusste das natürlich. Doch er war im Grunde seines Herzens ein scheuer, zurückhaltender Künstler und kein Macho, der auf dicke Hose gemacht hat. Das lag ihm völlig fern. Aber wenn sich die Gelegenheit ergab, eine schöne Frau näher kennenzulernen, ließ er sich gern verführen. Gerade in den 70er-Jahren lauerten Scharen junger Frauen nach den Konzerten in den Hotellobbys und warteten auf ihn. Manche kamen auch ganz forsch an den Tisch im Lokal. Und wenn sie hübsch waren, durften sie bleiben. Es waren die wilden 70er und keiner zeigte sich prüde. Für mich war das Rock ’n’ Roll.
Und sein Charisma blieb ihm erhalten … Udo hat über Jahrzehnte eine riesige Faszination auf die Menschen ausgeübt. Mein Vater hat nie nach dem Mainstream gelebt, er hat ihn kreiert. Er hatte ein Gefühl für den Zeitgeist, aber er ging damit immer sehr bescheiden und dankbar um, freute sich jedes Mal wieder, wenn die Leute in seine Konzerte stürmten und ihn feierten. Er war ein echter Superstar, weil er nie die Leidenschaft für die Musik verlor und sich wie jeder große Künstler auch immer wieder hinterfragte.
Hatte er noch unerfüllte Träume? Er wollte gern noch mal zu seinen Wurzeln zurückkehren und kleine Konzerte nur mit einem Quartett spielen, sozusagen die Musik seiner Anfangsjahre wie Swing oder Jazz. Das war ihm leider nicht mehr vergönnt.
Wenn Sie heute an Ihren Vater denken … …dann sehe ich einen glücklichen Mann, der seine Träume leben konnte und von den Menschen geliebt wurde. Wenn Udo einen Raum betrat, sahen ihn alle an. Seine Aura überstrahlte alles. Dazu sah er als junger Mann mega-mäßig aus, legte bis zum Schluss viel Wert auf sein Äußeres, was natürlich auch die Frauen faszinierte. Seine innere Strahlkraft funktionierte sogar in New York, wo ihn niemand kannte. Das habe ich als junger Mann selbst erlebt. Seiner Ausstrahlung konnte sich niemand entziehen.
Seine Aura überstrahlte alles. Dazu sah er als junger Mann mega-mäßig aus