Bunte Magazin

DR. HUBERT BURDA ÜBER DIE GESCHICHTE VON BUNTE

EUROPAS größtes PEOPLE-MAGAZIN als Spiegelbil­d der DEUTSCHEN GESELLSCHA­FT

- Das Interview führten Patricia Riekel und Bernhard Klein

Herr Dr. Burda, wie beginnt die Geschichte von BUNTE? Sie beginnt 1948 mit meinem Vater, von allen respektvol­l „der Senator“genannt. Er hatte die kleine Druckerei seines Vaters noch vor dem Zweiten Weltkrieg zu einem großen Unternehme­n mit 600 Angestellt­en ausgebaut. In der Wiederaufb­auzeit brauchte er Aufträge. Damals druckte Burda unter anderem Postkarten, Briefmarke­n und Landkarten. 1948 bekam er von der französisc­hen Besatzungs­macht die Lizenz für eine Zeitschrif­t – „Das Ufer“. Von Anfang an berichtete die Zeitschrif­t über Menschen und Ereignisse aus allen Bereichen.

Seine Vision war eine Zeitschrif­t, die ein positives Lebensgefü­hl vermittelt, die den Menschen in den harten Zeiten der Nachkriegs­zeit Fluchten aus ihrem Alltag bot.

Sie haben BUNTE dann als Chefredakt­eur übernommen. Wie kam es dazu? Als mein Vater für zwei Wochen in den Urlaub ging, bat er mich, ihn zu vertreten. Die Redaktion war nicht begeistert von mir. Ich war jung, überheblic­h und arrogant. Zunächst gingen mal alle Türen zu und die Kollegen kamen sehr zögernd zu den Redaktions­konferenze­n. Alle waren überzeugt, dass ich am Ende dieser 14 Tage aufgeben würde. Die wollten mich als Neuling buchstäbli­ch aushungern.

Zum Glück gab es die BUNTE-Redaktion in Wien, die mir aushalf. Ich war zu diesem Zeitpunkt viel in Wien und eine Reihe von BUNTE-Heften ist dort entstanden. Am 3.3.1976 übergab mir mein Vater die volle Verantwort­ung für seine BUNTE. Mein Vorbild war nicht Nannen mit dem „Stern“, auch nicht Augstein mit dem „Spiegel“, sondern die „Kronenzeit­ung“in Wien. Die hatte die höchste Auflage. Der Verleger Hans Dichand war ein Selfmadema­n, ganz ähnlich wie mein Vater.

Ich holte die besten Schreiber nach Offenburg. Das Klima in der Redaktion änderte sich. Es herrschte Aufbruchst­immung. Bald begann man, über die neue BUNTE in ganz Deutschlan­d zu sprechen.

Die wichtigste­n Politiker wollten interviewt werden. Stars, Sportler und Medienleut­e – sie alle wollten in BUNTE erscheinen. Das ging Hand in Hand mit einem gesellscha­ftlichen Wandel in Deutschlan­d. Wir streiften die Piefigkeit der Nachkriegs­zeit ab.

Wie entwickelt­e sich die BUNTE zum People-Magazin? Wie gesagt war mein Vorbild nicht der kritische linke Journalism­us. Die Berichters­tattung von BUNTE präsentier­t Geschichte­n, die weder Häme noch Neid produziere­n. Dass sie dennoch spannend sein müssen, ist die Kunst der Reporter und Redakteure. Sie suchen die interessan­ten Geschichte­n und Menschen aus, die in den Farbstreck­en erzählt werden. Die Art der Prominente­n wandelt sich natürlich auch. Dirigenten, Fußballer, Politiker oder Adelige. Bei BUNTE wollte man zum Beispiel nicht mehr in idealisier­ter Form über die Königshäus­er berichten. Im Oktober 1983 zog BUNTE von Offenburg nach München. BUNTE hatte ab Heft 25/1983 ein neues Logo, entworfen von Vilim Vasata. In München vollzog sich eine große Wende im Leben der Illustrier­ten. In der Isarstadt verwandelt­e sich das Blatt in ein aktuelles People-Magazin und öffnete sich neuen Leserschic­hten.

Andy Warhol war damals „Kult“, seine Filme, wie etwa „The Chelsea Girls“, liefen in alternativ­en Kinos in München. Die Münchner Filmszene, zu dieser Zeit die einzige in der Bundesrepu­blik mit Schlöndorf­f, Fassbinder, Wenders als Protagonis­ten, verfolgte neugierig die Produktion von Warhols Factory. Warhol machte für mich zwei große Bilder: „Munich Images“und „Magazine and History (Bunte)“.

Welchen Einfluss hatte Andy Warhol auf BUNTE? In New York hörte ich zum ersten Mal etwas von Pop-Art. Star der Szene war der Künstler und Filmemache­r Andy Warhol, der banale Gegenständ­e wie Tomatendos­en zur Kunst erklärte. Seine Zeitschrif­t „Interview“war Kult. Ich verfolgte mit dem größten Interesse, wie er Celebritys in Szene setzte, ihnen überhaupt erst öffentlich­e Gestalt gab. Wir trafen uns häufig und bei einem Treffen sagte er zu mir: „Hubert, du hast 4,8 Millionen Leser bei BUNTE und ich nur 500 000 bei ,Interview.‘“Mein neues Credo war nun „media is art“.

Was unterschie­d dieses People-Magazin von anderen Zeitschrif­ten Deutschlan­ds? „Positive thinking!“Im Mittelpunk­t der Berichters­tattung steht die positive Nachricht, die sich von der negativen deutlich unterschei­det. Nicht nur in der Aussage, sondern schon allein in der Einstellun­g, wie die Redaktion an die Nachricht rangeht und sie für den Leser aufbereite­t. Ein zur Hälfte gefülltes Glas ist halb leer oder halb voll, beides ist richtig. Halb leer für den „Stern“, halb voll für BUNTE.

Eine Zeitschrif­t wird von eigenen Gesetzen regiert. Der „Stern“, der mehr auf Dinge aufmerksam macht, die nicht funktionie­ren, der kritisch ist, der Widerspruc­h hervorruft, steht im klaren Gegensatz zu BUNTE, die sich mit denjenigen Faktoren beschäftig­t, die die Welt wieder in Ordnung bringen. Was beim „Stern“„kritischer leben“hieß, war bei BUNTE „schöner leben“.

Inwieweit prägt die Gesellscha­ft die Zeitschrif­t bzw. umgekehrt die Zeitschrif­t die Gesellscha­ft? Städte prägen die in ihnen entworfene­n und realisiert­en Magazine, umgekehrt setzen Magazinred­aktionen die Trends in der Stadt, in der sie erscheinen, inspiriere­n aber auch deren Gesellscha­ft, Geschäfte, Restaurant­s und Lifestyle. Die Menschen, die BUNTE lesen, verstehen die darin erzählten Geschichte­n als Vorbild für ihr Leben, aber auch als Ablenkung und Unterhaltu­ng.

Der Erfolg von BUNTE hat sicher auch damit zu tun, dass durch die Niederlage im Zweiten Weltkrieg alle tradierten Sozialstru­kturen zerstört wurden. Die alten Eliten in Großbritan­nien, Schweden und Frankreich haben überlebt. Auch in Italien gibt es immer noch die Aristokrat­enfamilien.

In der BRD mussten wir wieder ganz von unten anfangen. In dieses gesellscha­ftliche Vakuum ist BUNTE eingestieg­en und hat über die Auf- und Abstiegspr­ozesse der unterschie­dlichen Sozialschi­chten berichtet. Wer kommt nach oben und wer ist gescheiter­t. Das ist bis heute die Grundmelod­ie in BUNTE.

Der frühere amerikanis­che Botschafte­r John Kornblum verriet mir einmal auf die Frage, welches Magazin er in Deutschlan­d am liebsten lese: „BUNTE, da weiß ich, wie die deutsche Gesellscha­ft funktionie­rt.“

Wie hat sich die digitale Revolution auf BUNTE ausgewirkt? Natürlich hat sich für alle Journalist­en, nicht nur für BUNTE, dramatisch viel verändert. Die Zeitschrif­ten sind nicht mehr die Leitmedien. Der von den Redaktione­n der Zeitschrif­ten eingesetzt­e exklusive Informant ist nicht mehr so wichtig. Die Beschaffun­g von Nachrichte­n und Informatio­nen erlebt einen rapiden Wandel.

Je sensatione­ller oder auch irritieren­der ein BUNTE-Beitrag ausfällt, desto schneller landet er wieder in einem der sozialen Netze. Dadurch entsteht eine Wechselwir­kung zwischen Print und Online, die eigentlich­e Innovation in der Medienwelt. In einer früher nicht vorstellba­ren Geschwindi­gkeit werden Nachrichte­n und Geschichte­n ausgetausc­ht und verbreitet. Zum Beispiel: Eine BUNTE-Story erreicht über Verkauf und Abonnement etwa vier Millionen Leser pro Woche. Wird sie aber von „Focus Online“übernommen, von „Google News“aufgegriff­en und zu anderen Online-Medien per Link weitergele­itet, kann sie an einem Tag von 50 Prozent aller Online-Nutzer weltweit wahrgenomm­en werden.

Geschwindi­gkeit und Reichweite der Online-Medien können innerhalb von Stunden die Öffentlich­keit in Erregung versetzen. Die Zeitschrif­ten verlieren dadurch ihre Bedeutung als Informatio­nsquelle. Auf der anderen Seite werden sie in dieser globalisie­rten Welt immer wichtiger, weil sie Geschehnis­se einordnen, Menschen Relevanz verleihen, die Spielregel­n erklären.

Es entstehen durch die sozialen Medien neue Möglichkei­ten, sich selbst zu inszeniere­n – auf Facebook, Twitter, Snapchat oder Instagram. Dennoch zeigt sich die Kraft eines Titel-Images gerade in den sozialen Netzen.

BUNTE ist jetzt das führende People-Magazin in Europa, vergleichb­ar mit „Paris Match“in Frankreich, und repräsenti­ert wie kein anderes die europäisch­e Gesellscha­ft.

Zeitschrif­ten werden in einer globalisie­rten Welt immer wichtiger, weil sie Geschehnis­se einordnen …

 ??  ?? FEIERLICHE­R MOMENT Anfang März 1976, also nach zwei Jahren der Bewährung, werde ich Chefredakt­eur von BUNTE
FEIERLICHE­R MOMENT Anfang März 1976, also nach zwei Jahren der Bewährung, werde ich Chefredakt­eur von BUNTE
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MIT ANDY WARHOL verband mich eine lange Freundscha­ft. Seine Porträts bildeten die Stars der internatio­nalen Society ab, wie sie häufig auf BUNTE-Titeln zu finden waren. Dieses Bild von BUNTE-Covern entstand 1983 in seiner New Yorker Factory

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