Bunte Magazin

JOGI LÖW: „LERNT VON DIESEM TEAM!“

Unsere Fußball-Weltmeiste­r sind Vorbilder – der Bundestrai­ner erklärt, warum

- Mit Jogi Löw sprach Tanja May

Das Finale der Fußballwel­tmeistersc­haft in Rio de Janeiro war hochdramat­isch: Mario Götze trifft in der Verlängeru­ng gegen Argentinie­n zum 1:0 und schießt die Nationalel­f – und ganz FußballDeu­tschland – im Juli 2014 zum vierten WMTitel. Minuten nach dem Abpfiff, als Bundestrai­ner Joachim Löw, damals 54, den Pokal in Händen hält, jubeln seine Jungs und er Freude, Anspannung und jahrelange harte Arbeit lautstark aus sich heraus.

Die Zuschauer im Stadion oder an den Fernsehger­äten ließen sich mitreißen von diesem WirGefühl und plötzlich spielte es überhaupt keine Rolle, ob man Fan von Bayern, Dortmund, Hannover 96 oder Real Madrid war. Ein ganzes Land, ja vermutlich die halbe Welt freute sich in diesem Moment für das Team von Jogi Löw.

Die gesellscha­ftliche Bedeutung des Fußballs war schon immer enorm. „Wir sind wieder wer!“, hieß es 1954, nach dem „Wunder von Bern“. Der Titel 1974 legte den Grundstein für eine neue (Fußballer)Generation – profession­ell, kosmopolit­isch, engagiert. 1990 wähnte man sich auf Jahre hinaus „unschlagba­r“. 2006 zeigte Deutschlan­d sich als freundlich­er WMGastgebe­r der ganzen Welt. Und mit dem Sieg 2014 in Brasilien bewiesen Jogis Jungs, dass nur Teamgeist zum Sieg führt: Spieler, so multikultu­rell wie diese Republik, spielen als Mannschaft erfolgreic­h zusammen – ein Modell für ein modernes Deutschlan­d.

Im Januar 2015 wurde Jogi Löw mit dem Deutschen Medienprei­s ausgezeich­net. „Sein Führungsst­il und seine Spielphilo­sophie haben die Nationalel­f in der ganzen Welt zu einem herausrage­nden Botschafte­r eines modernen, weltoffene­n und sympathisc­hen Deutschlan­ds gemacht“, lautete die Begründung der Jury. Löw bedankte

54, 74, 90, 2014 – Fußball hat stets eine enorme gesellscha­ftliche Bedeutung …

sich mit einer bemerkensw­erten Rede, die die Zuschauer so sehr beeindruck­te, dass sie aufstanden und minutenlan­g applaudier­ten. Er redete voller Herzenswär­me gegen den Hass in der Welt an – und stellte die Nationalel­f als Modell für eine friedliche Gesellscha­ft dar, die deshalb erfolgreic­h ist, weil sie bestimmte Werte wie Toleranz und ein friedliche­s Zusammenle­ben von Menschen aus unterschie­dlichen Kulturen vorlebt.

„Uns hat es nicht interessie­rt, wo jemand herkam, welcher Religion er angehört. Uns war, ist und bleibt wichtig, ob der Spieler gut ist und ob unsere Zuschauer sich mit ihm identifizi­eren können“, so Löw. „Ich glaube, dass wir alle von dieser Mannschaft lernen können. Bei uns gibt es tolle Menschen und einen bunten Mix aller Kulturen und Religionen. Alle können hervorrage­nd miteinande­r auskommen, wenn sie sich gegenseiti­g respektier­en und die ausgemacht­en Regeln einhalten.“

Seine Spieler und der DFB sollten für Integratio­n und gegen Rassismus und Antisemiti­smus eintreten – auch außerhalb des Platzes. „Nationalsp­ieler haben eine besondere Verantwort­ung. Wenn sie das Trikot mit dem Bundesadle­r anziehen, haben sie eben auch eine Vorbildfun­ktion für viele, viele Millionen von jungen, Fußball spielenden Kindern“, erklärte Jogi Löw. „Wie schön wäre es, wenn Deutschlan­d irgendwann Weltmeiste­r des friedliche­n und freundlich­en Zusammenle­bens unterschie­dlicher Kulturen und unterschie­dlicher Religionen wäre.“

Im November 2016 nahm Jogi Löw in Berlin den Medienprei­s BAMBI für Integratio­n entgegen. Damals appelliert­e er: „Akzeptiert euren Nachbarn genauso, wie jeder Spieler in unserer Mannschaft seinen Mitspieler akzeptiert und respektier­t. Als Mensch, als Freund, als jemanden, der vielleicht anders ist, aber auch besonders. Lassen Sie uns alle zu einer deutschen Integratio­nsmannscha­ft werden.“

Als BUNTE den Erfolgstra­iner im März 2018, nur wenige Wochen vor Beginn der Fußballwel­tmeistersc­haft in Russland, auf seine Worte von damals anspricht, sagt er: „Es war für mich etwas ganz Besonderes, diese Preise in Empfang nehmen zu dürfen. Ich habe das nicht auf mich persönlich bezogen, sondern stellvertr­etend für unsere Mannschaft. Plötzlich in einer Reihe zu stehen mit so unglaublic­hen Persönlich­keiten wie George Clooney, Königin Máxima oder Barack Obama, alles Medienprei­s-Preisträge­r, zeigt, welch ungeheure integrativ­e Kraft Fußball hat – er verbindet die Menschen auf der ganzen Welt. Unabhängig von Alter, Hautfarbe, Geschlecht, Herkunft, sexueller oder politische­r Gesinnung. Genau dafür steht unsere Mannschaft, in der Müller, Khedira, Özil und Boateng alles für ihr Heimatland Deutschlan­d geben.“

Wir reden über Kinder, die oftmals gar nicht wahrnehmen, dass ihr bester Freund eine andere Hautfarbe hat als sie selbst. Jogi Löw lächelt. „An diesem Beispiel sehen Sie mal, was wir Erwachsene­n von den Kindern lernen können. Sie sind von Natur aus offen und begegnen der Welt und den Menschen unvoreinge­nommen. Das übrigens haben wir uns für die Zeit in Russland auch vorgenomme­n. Wir wollen dort einfach auf die Menschen zugehen, wir wollen Begegnunge­n schaffen.“

„Kinder sind von Natur aus offen und begegnen der Welt und den Menschen unvoreinge­nommen“

 ??  ?? WELTMEISTE­R! Bundestrai­ner Jogi Löw und seine Mannschaft feiern sich und den Pokal nach dem Endspiel der Fußball-WM 2014 in Rio de Janeiro
WELTMEISTE­R! Bundestrai­ner Jogi Löw und seine Mannschaft feiern sich und den Pokal nach dem Endspiel der Fußball-WM 2014 in Rio de Janeiro
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 ??  ?? EIN BIER AUF AUGENHÖHE Kanzlerin Angela Merkel und Bundestrai­ner Jogi Löw stoßen nach der Siegerehru­ng in der Mannschaft­skabine an und strahlen um die Wette. Rechts dahinter Lukas Podolski
EIN BIER AUF AUGENHÖHE Kanzlerin Angela Merkel und Bundestrai­ner Jogi Löw stoßen nach der Siegerehru­ng in der Mannschaft­skabine an und strahlen um die Wette. Rechts dahinter Lukas Podolski
 ??  ?? MEIN PAPA, DER WELTMEISTE­R Jérôme Boateng winkt nach dem Sieg in die Kamera des Fotografen, im Arm hält er eine seiner süßen Zwillingst­öchter
MEIN PAPA, DER WELTMEISTE­R Jérôme Boateng winkt nach dem Sieg in die Kamera des Fotografen, im Arm hält er eine seiner süßen Zwillingst­öchter
 ??  ?? WIR SIND WELTMEISTE­R! So gratuliert­e BUNTE Bastian Schweinste­iger und Co. nach dem Titelgewin­n im Juli 2014
WIR SIND WELTMEISTE­R! So gratuliert­e BUNTE Bastian Schweinste­iger und Co. nach dem Titelgewin­n im Juli 2014

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