Andrea Sawatzki
ANDREA SAWATZKI hat sich mit 55 neu erfunden und den Gang zum Friseur gewagt. Sie kennt die Zweifel gut, die viele Frauen haben …
über Ängste und Zweifel
Wenn Frauen sich die Haare abschneiden, steckt dahinter oft nicht nur der Wunsch nach einer neuen Frisur. Es ist eher ein Zeichen für die Außenwelt nach einer inneren Verwandlung. Sängerin Sarah Lombardi, 25, zelebrierte vor Kurzem einen Friseurbesuch und die danach zehn Zentimeter kürzeren Haare fast live samt Tränen und Kamerateam. Autorin und Schauspielerin Andrea Sawatzki, 55, freut sich dagegen über ihren neuen Look – und doch sind die wesentlich kürzeren Haare auch bei ihr ein Statement. Gratulation! Nächste Woche läuft der dritte Film aus Ihrer eigenen Buchreihe über die chaotische Familie Bundschuh. Bekommt man durch die FilmFamilie eigentlich einen kleinen Einblick in Ihr Privatleben? Es gibt da durchaus Überschneidungen, denn meine Hauptfigur hat einiges von mir: das Chaotische in Kombination mit einem übersteigerten Perfektionsdrang oder die Angst, etwas zu verpassen, wenn man älter wird. Das Gefühl, nicht gut genug zu sein oder in der Jugend nicht alles ausgelebt zu haben. Die ständige Frage, ob man seine Kinder richtig erzieht, ob man eine gute Hausfrau ist, die allen Ansprüchen genügt. All solche Zweifel kenne ich von mir selbst.
Kein Wunder, dass Sie in den Filmen die weibliche Hauptrolle so überzeugend spielen. Was macht mehr Spaß: Film oder Buch? Ich wollte immer schon schreiben, habe mit einem Thriller angefangen. Das Dunkle, Melancholische fasziniert mich auch sehr. Bei den Familienromanen liebe ich auch die Lesungen. Ich reise durch ganz Deutschland und habe schon in Gemeindesälen, Turnhallen, Restaurants, ausgeräumten Autohäusern und Theatern gelesen. Da sind bis zu 500 Leute und viele Frauen kommen danach mit ähnlichen Geschichten zu mir.
Wie reagiert denn Ihr Ehemann Christian Berkel in schwierigen Situationen? Christian ist ein Mensch, der zuerst denkt, bevor er handelt. Bei mir ist das manchmal umgekehrt. Ich versuche zwar, sehr strukturiert zu leben, aber das gelingt mir nicht immer, weil ich ziemlich emotional bin.
Ihr großer Sohn wird bald 19. Ist es schwer, ihn loszulassen?
Neulich habe ich wieder alte Fotos angeschaut, als die Kinder noch klein und wir jung waren. Das hat mich sehr gerührt. Man vergisst ja immer, dass die Zeit mit kleinen Kindern auch sehr anstrengend ist. Zurück bleiben die harmonischen Momente und natürlich trauere ich den alten Zeiten etwas hinterher, aber wir Eltern sind ja nur Wegbereiter für unsere Kinder.
Sie und Ihr Mann sind bereits seit 20 Jahren ein Paar. Gibt es ein kleines Geheimnis? Vielleicht haben wir es ganz gut geschafft, die Zärtlichkeit in unserer Ehe zu bewahren. Das ist für uns beide sehr wichtig. Für viele Paare wird der Partner irgendwann eine Selbstverständlichkeit. So zu leben, könnte ich mir nicht vorstellen.
Im Film tragen Sie noch Ihre langen, roten Locken. Jetzt sind die Haare ab. War das für Sie ein wichtiger Schritt? Ich hatte das schon lange vor, aber Angst, wie die Branche reagiert. Für meine Rollen wurden die Haare in letzter Zeit oft zu einem Dutt gesteckt und das fand ich wahnsinnig spießig und altmodisch. Gerade in meinem Alter wollte ich einen modernen, frechen Look und ich bin froh, dass ich mich jetzt getraut habe. Ich habe schon zwei Freundinnen, die das nachgemacht haben. Es gab auch keine Tränen beim Friseur. Es war eher eine Befreiung, als die Locken fielen. So bin ich jetzt und dazu stehe ich. Ich fühle mich leichter, mehr bei mir selbst als zuvor – und meinem Mann gefällt der neue Look auch sehr gut.
„MEIN MANN DENKT, BEVOR ER HANDELT. MIR GELINGT DAS NICHT IMMER“