Rupert Everett:
RUPERT EVERETT über Gleichberechtigung und darüber, wo die #metooBewegung hinführen wird
Der Star über seine Angst vor der #metoo-Bewegung
Kaum ein Mann wagt es zurzeit, die #metoo-Bewegung kritisch zu kommentieren. Rupert Everett, 58, aber traut sich. Er ist unverdächtig, Frauen je bedrängt zu haben. Er bekennt sich zu seiner Homosexualität genau wie der britische Schriftsteller Oscar Wilde (1854 –1900), den er in seinem Film „The Happy Prince“spielt.
Die #metoo-Bewegung verändert unsere Gesellschaft. Wie finden Sie das? Ich begreife es nicht. Ich wuchs auf in den hedonistischen 70erJahren, ich habe später in New York und in Berlin gelebt. Wir haben Tausende Dinge getrieben, die wild und auch gefährlich waren, und ich habe es geliebt. Heute fühlen sich plötzlich alle unheimlich verletzlich und bedroht. Ich verstehe es nicht, wenn Museen Bilder abhängen, weil darauf Frauen mit nackten Brüsten zu sehen sind. Ich habe das Gefühl, wir bewegen uns auf eine dunkle Zeit zu.
Sie sehen einen neuen Puritanismus? Absolut, ja. Für Frauen hat sich in den letzten 100 Jahren unheimlich viel verbessert und das muss auch weitergehen. Es herrscht noch keine Gleichberechtigung. Denken Sie ans Kino. Hat ein 70-jähriger Schauspieler in einem Film eine 23-jährige Freundin, halten wir das für normal. Eine 70-jährige Schauspielerin und ein 23-Jähriger? Das wäre unerhört. Der Kampf um Gleichberechtigung muss weitergehen. Aber in England heißt es jetzt schon, man dürfe eine Frau nicht mehr „darling“oder „sweetheart“nennen. Ich finde das verrückt.
Woran liegt das? Die sozialen Medien, Facebook, Twitter, tragen Verantwortung. Für mich sind das die Vorboten der Apokalypse. Irgendjemand schreibt, er sei gegen irgendwas, und sofort sind Tausende auch dagegen. Die virtuelle Kommunikation, nicht mehr von Angesicht zu Angesicht, hat die Gesellschaft verändert.
Wohin kann uns das führen? Ich glaube, wir stehen vor einer gigantischen Umwälzung. Nach zwei Millionen Jahren männlicher Dominanz passiert gerade etwas, das wir nur ahnen können. Das alte Verständnis von männlich und weiblich löst sich auf. Ich fürchte, wir werden alle asexuell und jeder macht alles für sich allein, auch das Kinderkriegen.
Wie viel von Oscar Wilde steckt in Ihnen? Ich sehe viele Parallelen. Oscar Wilde wurde sein homosexuelles Leben zum Verhängnis. Was mir widerfuhr, ist nicht vergleichbar, aber meiner Karriere hat es geschadet, dass ich offen homosexuell bin. Ich habe das Gefühl, ich bin kein Mitglied der Gruppe der anderen männlichen Stars. Was ich an Oscar Wilde liebe, ist, dass er sich nie als Opfer gesehen hat. Selbst als er zum Opfer wurde, hat er sein Leben weitergelebt.
Sie lassen sich auch nicht so schnell irritieren und haben zehn Jahre für Ihren Film gekämpft. Andere hätten längst aufgegeben … Nach den ersten drei, vier Jahren kam ich an einen Punkt, an dem ich nicht mehr aufgeben konnte. Eher hätte ich mich umgebracht.
„MEINER KARRIERE HAT ES GESCHADET, DASS ICH MICH GEOUTET HABE“