Karin Slaughter:
KARIN SLAUGHTER Die ThrillerAutorin hat ein dunkles Familienerbe – in BUNTE verrät sie es
Das dunkle Familiengeheimnis der Thriller-Autorin
Von ihrer Suite im Luxushotel „Mandarin Oriental“blickt Karin Slaughter auf die Dächer von Paris, die nach einem Regenschauer in der Abendsonne glitzern. Der Eifelturm schiebt seine Spitze in den feurigen Himmel. „Sieht toll aus“, schwärmt die 47-jährige Amerikanerin und öffnet die Glastür zur privaten Terrasse. „Ich reise nicht besonders gern, aber ich mag europäische Städte.“Karin Slaughter lebt in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia. Sie ist verheiratet – mit einer Frau – hat ein Haus und eine Katze, schwimmt morgens gern im Pool und sie schreibt nahezu unerträglich spannende Krimis. Fast jedes Jahr veröffentlicht die Bestsellerautorin ein neues Buch – und mit jedem wächst ihre weltweite Fangemeinde.
Was macht einen guten Krimi zu einem sehr guten? Es gibt Thriller, die sich schnell und unterhaltsam lesen – das sind für mich gute. Wenn ich zudem ein tiefes Verständnis bekomme für die Figuren, warum sie zu Opfern oder zu Tätern werden, dann ist das für mich ein sehr guter Krimi. Ich will das Gefühl haben, dass es mich beim Lesen in die Geschichte hineinzieht, dass ich mein Hirn anstrengen muss, um die Hintergründe des Geschehens zu kapieren.
Ihre Bücher sind ziemlich grausam. Wollen Sie schockieren? Ich will unterhalten. Aber ich interessiere mich für Gewalt, vor allem wenn sie sich gegen Frauen richtet. Und die zeige ich so realistisch, wie es geht, weil ich nichts beschönigen will. Ich will zeigen, dass Gewalt einen Menschen zerstören kann.
Waren Sie selbst schon Opfer? Ich zum Glück nicht, aber meine Großmutter. Mein Großvater war ein gewalttätiger und scheußlicher Mann.
Gegen seine Frau? Eigentlich gegen jeden, aber meine Großmutter hat am meisten unter ihm gelitten. Er war grausam, tyrannisch, gewalttätig und hat getrunken. Und das Schlimme war: Alle wussten es. Keiner hat ihn gestoppt. Mein Vater hat uns Kindern lange
ICH WILL ZEIGEN, DASS GEWALT EINEN MENSCHEN ZERSTÖREN KANN
nichts von seinen schlimmen Erinnerungen erzählt. Ich war schon fast 30, als ich erfuhr, in welch armen und brutalen Verhältnissen er aufwuchs und dass er versuchte, seine Mutter zu beschützen und selbst oft Schläge eingesteckt hat. Mein Vater ging früh weg aus seinem Elternhaus. Er hat es mit harter Arbeit geschafft, sich aus dem furchtbaren Milieu zu befreien.
Ist dieses Familienerbe der Grund für Ihr Interesse an Gewalt? Ja. Und mein Job in einem Callcenter, in dem misshandelte Frauen anriefen. Dort habe ich gejobbt, als ich 19 war, es aber nur ein paar Wochen ausgehalten. Was mich am meisten verstört hat: Diese Frauen gaben sich oft selbst die Schuld dafür, dass sie misshandelt wurden. Sie nahmen die Täter, also meist ihre Männer, sogar noch in Schutz und suchten die Schuld bei sich.
Tat das Ihre Großmutter auch? Sie war eine starke Frau und ertrug ihr Schicksal, ohne zu klagen. Ich erinnere mich auch, dass eigentlich jeder so tat, als sei mit ihr irgendetwas nicht in Ordnung. Man hatte oft das Ge-
fühl, meine Großmutter lebte in zwei Welten. Eigent‑ lich wusste niemand so genau: Ist diese Frau verrückt oder ist sie die Cleverste im Raum? Ich denke, das war ihre Strategie des Überlebens. Und dann hatte sie auch noch dieses Magazin abonniert: „True Crime“. Darin ging es um die allerscheußlichsten, wahren Verbre‑ chen – wirklich ganz grauenvolle Geschichten.
Haben Sie als Kind in diesem Magazin gelesen? Heimlich. Sie hielt ihre Sammlung unter ihrem Bett ver‑ steckt, was meine beiden Schwestern und ich wussten. Sonntags, wenn wir unsere Großeltern besuchten, ha‑ ben wir die Hefte heimlich hervorgezogen und darin gelesen. Und nachts lagen wir dann in unseren Betten und fürchteten uns zu Tode.
Auch Sie schreiben über grauenvolle Verbrechen. Können Sie eigentlich ruhig schlafen? Ich schlafe bestens. Wenn ich schreibe, bin ich ganz al‑ lein in meiner Hütte, die in der Wildnis der Blue Ridge Mountains liegt. Ich habe dort keine Angst. Das Grauen findet nur in meinen Büchern statt, aber nicht in mei‑ nem Kopf, wenn ich im Bett liege.
Gibt es jemanden, der Ihnen sagt: „Karin, diese Szene ist zu krass, das ist unzumutbar?“Ich bin der Meister meiner Geschichten. Wenn mein Manuskript fertig ist, gebe ich es meiner Lektorin zu lesen, mit der ich seit 17 Jahren zusammenarbeite. Sie darf allerdings nicht viel kritisieren – sie darf nur sa‑ gen, ob es funktioniert oder nicht.
Manche Leute lesen bei einem Krimi den Schluss zuerst, damit sie sich nicht zu sehr gruseln müssen… Um Himmels willen! Das kann ich absolut nicht leiden!
Sie haben 35 Millionen Bücher verkauft und sind reich geworden. Was machen Sie mit dem Geld? Es gibt unendlich viele Schriftsteller, die nie von ihrer Arbeit leben können. Ich bin wirklich superglücklich, dass ich mit Schreiben so viel Geld verdiene. Als Studen‑ tin habe ich manchmal lange gespart, um mir ein Buch kaufen zu können. Wenn das dann nicht gut war, habe ich mich geärgert wegen der verschwendeten Zeit und dem hart ersparten Geld.
Und was machen Sie nun mit Ihrem Reichtum? Nichts Besonderes: Ich unterstütze öffentliche Bibliotheken – die liegen mir am Herzen. Ich fahre einen BMW, habe mein Haus und meine Waldhütte. Auf Reisen leiste ich mir gern eine Suite an‑ statt eines normalen Hotelzimmers. Für Klamotten gebe ich nicht viel Geld aus. Meistens trage ich Jeans und schwarze T‑Shirts.
Sie sind Bestseller-verwöhnt. Sind Sie enttäuscht, wenn Ihnen mal keiner gelingt? Ich gebe zu: Ich will auf der Bestsellerliste die Nummer eins sein. Ich bin superehrgeizig, deshalb spiele ich auch keine Videospiele. Die ma‑ chen mich total verrückt vor lauter Ehrgeiz.