Warum STADTWÄLDER so gesund sind
Um gesund zu bleiben, brauchen Menschen natürliche Lebensräume“, sagt
Clemens Arvay im Interview mit BUNTE. Wir erreichen den Biologen telefonisch, er wohnt in der Nähe von Krems an der Donau – und sitzt dort in seinem Garten.
Waren Sie heute schon im Wald? Ja, ich gehe fast jeden Tag in den Wald. Ich nehme gelegentlich Bodenproben oder analysiere die Luft. Aber meist gehe ich spazieren, sitze auf einem Baumstamm oder mache mein Geländetraining. Ich nenne das „Biophilia-Training“. Der Begriff Biophilie wurde von dem Psychoanalytiker Erich Fromm in den 1960ern als die Liebe zu allem Lebendigen definiert.
In Ihrem Buch „Biophilia in der Stadt“geht es um die Begrünung von Städten. Warum liegt Ihnen das Thema am Herzen? Ich will zeigen: Jede Stadt hat ihre individuellen Ökosysteme. Diese haben oft einen Artenreichtum, der höher ist als in mancher landwirtschaftlich genutzten Region. Z. B. die renaturierte Isar in München oder die Dresdner Heide, wo man sogar Wölfe findet. Stadtwälder sind in ganz Deutschland mit S-Bahn, Bus & Co. erreichbar. Außerdem gibt es in jeder Stadt brache Flächen, die man in Zukunft zur Begrünung nutzen kann.
Wie stellen Sie sich das vor? Ich stehe oft auf Plätzen und frage mich: Warum sind sie noch nicht begrünt worden? Es könnten urbane Waldinseln entstehen, Straßenbahnschienen könnten, wie in Barcelona, auf grasbewachsenen Trassen verlegt, daneben Bäume gepflanzt werden – und das alles verbunden mit begrünten Gehwegen. Diese Vernetzungen nenne ich „Biophilia-Korridore“. Solche Ökosysteme sollten in Zukunft alle Städte durchziehen – genauso wie neue U-Bahn-Trassen, Straßen oder Radwege. Dadurch heben wir die Zerstückelung der Lebensräume auf und können uns durch gesunde, begrünte Korridore bewegen.
Sie wollen Stadtbäche wieder an die Oberfläche holen. Wieso das? Es braucht mehr Fließgewässer, so wie das früher der Fall war, bevor die Bäche in den Untergrund verlagert wurden. In Fließgewässern entsteht durch die Reibung die sogenannte Wasserfall-
elektrizität. Diese führt dazu, dass Sauerstoffteilchen elektrisch negativ aufgeladen werden, es entstehen sogenannte Anionen. Wenn wir diese Anionen einatmen, dann wird die reinigende Funktion unserer Flimmerhärchen in den Atemwegen verstärkt. Während diese „biophile“Stadtplanung gesundheitsfördernde Substanzen in die Stadtluft bringt, würden zusätzliche Bäume nachweislich auch Schadstoffe aus der Luft filtern – darunter die typischen Dieselabgase Stickoxid und Feinstaub.
Gehören auch Balkone, Dachgärten, bewachsene Häuser dazu? Ja. Die Architektur der Zukunft sollte in Städten viel mehr Begrünung umfassen. Es muss ganz normal sein, dass auf Dächern und Fassaden Pflanzen wachsen. Dann könnte man das, was man unten wegnimmt, oben wieder zurückgeben. Wie erklären Sie sich den Boom der Waldmedizin? Wir leben in einer schadstoffbelasteten Umwelt und merken, dass uns die Trennung von der Natur auf Dauer krank macht, denn der Mensch ist ein Teil der Natur. Viele spüren intuitiv, dass der Wald gesund für uns ist. Und die moderne Wissenschaft findet nach und nach heraus, warum das so ist.