ANDREA NAHLES
ANDREA NAHLES Die SPD-Bundesvorsitzende ist nach Angela Merkel Deutschlands mächtigste Politikerin. Im BUNTE-Interview offenbart sie ihre weiche Seite …
Daheim in Weiler (450 Einwohner) in der Eifel spricht Andrea Nahles, 48, den für die Region typischen Dialekt. „Mir schwätzen hej ä bisje Moselanisch, dat es jet anischte be in Kölle“, sagt die mächtige SPD-Chefin im BUNTE-Gespräch – und übersetzt sofort: „Wir haben keinen Singsang wie die Rheinländer. Unser Dialekt ist schon speziell. Den beherrschen immer weniger Leute, was ich schade finde.“
Ihre Tochter Ella, 7, spricht Hochdeutsch. „Meine Mutter redet zwischendurch Dialekt mit ihr. Ich möchte wenigstens, dass Ella ihn verstehen kann“, erzählt sie. „Wenn ich in Berlin bin und mit meinen Cousinen oder meiner Tante telefoniere, spreche ich Platt mit ihnen. Anfangs klang das für meine Mitarbeiter ein bisschen schräg, inzwischen haben sie sich daran gewöhnt. Ich würde mir blöd vorkommen, wenn ich mit den Menschen, die mich seit meiner Geburt kennen, plötzlich Hochdeutsch reden würde.“Sie lacht, laut und ansteckend. „Bei uns in der Eifel sagt man ‚et Andrea‘ oder ‚dat Mädsche‘.“
Ihr Dorf ist ihr Ruhepol und das Kontrastprogramm zum hektischen Politik-Betrieb in Berlin. „Bei uns gibt es einen Kindergarten, eine Schule und eine Kirche, regelmäßig liefern ein Bäcker- und ein Metzgerauto frische Ware, dazu ein Lieferant für Tiefgefrorenes. Das Internet funktioniert nur langsam und außer dem Schulbus gibt es keinen öffentlichen Nahverkehr.“Daran merke sie, „Berlin ist nicht Deutschland“. Das pflege sie „immer wieder meinen Leuten in Berlin zu sagen, dann gucken mich viele irritiert an. Aber das Leben in Berlin ist nicht repräsentativ für den Rest des Lands. Die Eifel natürlich auch nicht, aber wenn ich nach einer Woche Berlin nach Hause komme und merke, dass die Menschen hier von einigen Themen, die in Berlin für Aufregung und Hektik gesorgt haben, noch gar nichts mitbekommen haben, dann weiß ich, okay, so schlimm kann es nicht gewesen sein.“
Andrea Nahles, SPD-Parteivorsitzende und SPD-Fraktionschefin im Deutschen Bundestag, pendelt zwischen beiden Welten und sie liebt ihren Job. Seit April 2018 ist sie Chefin von rund
450000 SPD-Mitgliedern und nach Bundeskanzlerin Angela Merkel, 64 („Wir respektieren und schätzen uns persönlich“), die einflussreichste Politikerin des Lands. Selbst ihre Kritiker loben sie für ihren neuen, teamgeprägten wie gesprächsbereiten Führungsstil. „Er ist auf jeden Fall untypisch für die letzten Jahre innerhalb der SPD“, sagt Andrea Nahles. „Es ist auch eine Art der modernen Führung, die jetzt in der Partei ankommt.“
Als BUNTE die Aussage ihres Vor-Vorgängers Franz Müntefering, 78, erwähnt, „der SPD-Vorsitz ist das schönste Amt neben dem Papst“, schüttelt sie sofort den Kopf. „Es ist ein toller, fordernder Job. Aber diese Aussage gilt für mich natürlich nicht, da eine Frau nicht Papst werden kann. Ich will auch kein Papst sein. Im Vatikan scheint es mir zu viele Intrigen zu geben. Da bin ich lieber in Berlin und lebe meinen katholischen Glauben in anderer Form aus.“ Beten Sie jeden Tag? Nein, nicht jeden Tag, aber immer mal wieder. Mit Ella macht Beten besonders viel Spaß. Wir haben eine kleine Variante entwickelt: „Komm, Herr Jesu, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast. Amen. Guten Appetit, keiner sagt ‚igitt‘. Haut rein.“Ich lese Ella auch aus der Kinderbibel vor. Sie hat nicht immer Lust darauf, aber es funktioniert gut. Ihre Lieblingsgeschichte ist „David gegen Goliath“. Das war bei mir als Kind auch so, das Alte Testament fasziniert in dem Alter noch mehr als das Neue. Ich muss nicht ständig in die Kirche rennen, um Gott nah zu sein. Manchmal lasse ich auch eine Sonntagsmesse einfach sausen, weil es der einzige Tag ist, an dem ich mit Ella in Ruhe frühstücken kann. Dann sage ich mir, das Zusammensein mit meinem Kind ist auch Gottesdienst.
Als Katholikin müsste sich Ihnen wegen des Verhaltens der CSU der Magen umdrehen. Ist die CSU noch christlich?