KLEIDER findet sie im Job „unpraktisch“
Es gibt sicher viele gute Christen in der CSU, die es ernst meinen. Die CSU-Spitzenrepräsentanten jedoch haben offensichtlich Nachhilfebedarf. Deshalb bin ich sehr stolz auf meine Kirche und den Münchner Kardinal Marx, dass er bei der von Markus Söder angezettelten Kruzifix-Geschichte klare Worte gefunden hat. Es ist richtig, dass man das Kruzifix auch entehren kann, indem man es nutzt, um damit Politik zu machen. Das hat Söder getan. Er wollte kulturell etwas demonstrieren, was er selber nicht lebt und nicht ausstrahlt. Das ist ja Söders Problem, man glaubt ihm nicht. Die Menschen haben feine Sensoren und spüren, wer authentisch ist. Auch das gibt mir das gute Gefühl, im richtigen Land zu leben.
Wie schaffen Sie es, sich als geschiedene, voll berufstätige Mutter nicht zwischen Anspruch und Leistung zu verzetteln? Ich bin zum Glück nicht alleinerziehend im klassischen Sinne. Ich weiß, dass es mir viel besser geht als vielen Müttern, die ganz auf sich allein gestellt sind. Ella wächst in einem Dreiecksverhältnis auf, mit Mama, Papa, Oma. Und wenn jegliche Planung schiefläuft, kann ich meine Tante oder die Mütter von Ellas Freundinnen anrufen. Ich fliege sehr viel hin und her und arbeite extrem diszipliniert in Berlin, um am Wochenende möglichst wenig Arbeit mit nach Hause zu bringen. Das schaffe ich auch dadurch, dass ich wenig schlafe. Und mein Team hilft mir sehr.
Klingt, als hätten Sie kaum Zeit für sich. Meine Zeit für mich ist die mit Ella. Daneben bleibt nicht so viel. Wenn ich abschalten will, gehe ich im Wald spazieren, denke nach oder höre Musik. Ich lese gern oder treffe mich mit meiner besten Freundin zum Abendessen. Meine eigene Situation – so privilegiert ich bin – macht mir auf politischer Ebene deutlich: Familien in Deutschland brauchen mehr Unterstützung. Schön wäre es doch, wenn beide, Vater und Mutter, 32 Stunden pro Woche arbeiten könnten, den Rest der Zeit hätten sie für sich und die Kinder.
Haben Sie und Ella bestimmte Rituale? Ich erlaube ihr alle paar Wochen einen Wünsche-Tag, dann darf sich Ella den ganzen Tag etwas wünschen. Aber wir streiten auch, zum Beispiel über die Menge an Nutella, die sie gern essen würde. Ich erziehe wie jede Mutter. Allerdings haben wir einen gut geregelten Rhythmus. Schwierig wird es für mich nur dann, wenn ich eine Verabredung mit meinem Kind nicht einhalten kann, weil Zug oder Flugzeug verspätet sind oder Stau auf der Autobahn ist.
Waren Sie mit Ihrer Tochter im Urlaub? Ja, ich war mit ihr und der Familie meines Bruders auf Sardinien. Anschließend hatte ich meine Sommerreise in meinem Wahlkreis, ich habe Winzer und Bauern besucht. Ella war in dieser Zeit mit ihrem Papa verreist.
Tragen Sie im Urlaub auch mal ein luftiges Sommerkleid? In den letzten Wochen habe ich wegen der großen Hitze schon Kleider getragen. Aber ich muss zugeben, ich musste sie lange in meinem Kleiderschrank suchen. Im Job finde ich Kleider unpraktisch. Shoppen ist für mich nervtötend, deshalb bestelle ich vieles online. Ich mag es praktisch: Abends hänge ich ein Outfit raus und das ziehe ich morgens auch an, ohne noch mal darüber nachzudenken. Ein Magazin schrieb mal: „Andrea Nahles ist der letzte Mann in der SPD.“Hat Sie das verletzt? Ich musste schlucken. Mir wurde dann zwar erklärt, es sei als Kompliment gemeint, aber ich finde den Satz immer noch missverständlich. Daher gefällt er mir nicht.
Haben Männer Angst vor Ihnen? Rollenmuster verschwimmen doch zum Glück immer mehr. Ich bin halt robust, habe keine Angst vor Entscheidungen und traue mir durchaus Verantwortung zu. Alles Eigenschaften, die früher eher als männlich galten. Das ist aber nichts, was ich mit 30 in der SPD gelernt hätte, so war ich schon mit 14. Meine Eltern haben mich dazu erzogen, mutig zu sein und niemals vor Verantwortung wegzulaufen.
Ist Ihre Scheidung für Sie als Katholikin auch ein persönliches Scheitern? Auf jeden Fall. Das hatte ich mir auch anders vorgestellt. Man geht ja keine Ehe ein, um sie nach einigen Jahren zu beenden.