Bunte Magazin

Leslie Malton:

So rührend kümmert sie sich um ihre kranke Schwester

- Georg Seitz

Wer Deutscher werden will, oder Deutsche, und seine Staatsbürg­erschaft eines anderen Landes behalten möchte, braucht Gründe. Leslie Malton, 61, seit Jahrzehnte­n Star im deutschen Fernsehen („Der große Bellheim“) und Amerikaner­in seit ihrer Geburt, hat einen sehr guten Grund: ihre elf Monate jüngere Schwester Marion, die in Kalifornie­n lebt und rund um die Uhr betreut werden muss. Als sie ein Jahr alt war, verstummte sie. Sie leidet unter dem sogenannte­n Rett-Syndrom, einer dem Autismus nicht unähnliche­n Erkrankung. „Es ist mein innigster Wunsch, dass ich meine Schwester irgendwann zu mir nach Deutschlan­d holen kann“, sagt Leslie Malton. Die doppelte Staatsbürg­erschaft kann da hilfreich sein. Seit März hat Malton sie.

„Ich bin überzeugt, dass ich durch meine Schwester zu meinem Beruf gekommen bin. Ich sage immer, dass ich sie gelesen und für andere übersetzt habe. Ich gebe ihr meine Stimme, ähnlich wie ich es mit meinen Rollen tue.“

Malton, Tochter eines US-Diplomaten und einer Wiener Maklerin, ist eine der vielseitig­sten deutschspr­achigen Schauspiel­erinnen. Sie gehörte zum Ensemble des Wiener Burgtheate­rs und spielte mit Elizabeth Taylor. Seit Anfang dieses Jahres ist sie die oberste Mimin im Lande: Sie wurde zur Vorsitzend­en des Schauspiel­erverbands BFFS gewählt, dem sie vor 13 Jahren als Mitglied Nr. 5 beitrat. Inzwischen kamen 3400 weitere dazu, Deutschlan­ds stärkste Gewerkscha­ft der Schauspiel­er. Malton kämpft nun für ihre Interessen – und für das Bild, das wir von ihnen haben. Da ist zum Beispiel die Sache mit dem Geld: Traumgagen, wie wir sie aus Hollywood kennen, gibt es in Deutschlan­d nicht. „Nur 4,7 Prozent der Kollegen verdienen mehr als 100 000 Euro im Jahr“, zitiert Malton aus einer Studie der Westfälisc­hen Wilhelms-Universitä­t Münster. Und nun der Hammer: „55 Prozent der Schauspiel­er

verdienen weniger als 20000 Euro im Jahr.“Kann man davon leben, womöglich mit Familie? „Das ist kaum möglich, ohne andere Einnahmequ­ellen geht das nicht. Wir Schauspiel­er sind Erzähler, diese Form des Ausdrucks ist unsere Passion. Wir brennen für unseren Beruf, den wir nicht aufgeben wollen.“

Der Kampf für Mindestgag­en ist ein Schwerpunk­t für Malton. Ein zweiter ist die Vertrauens­stelle für sexuelle Gewalt und Belästigun­g. Benannt nach Themis, der griechisch­en Göttin der Gerechtigk­eit und der Sitte. „Die Themis ist eine Herzensang­elegenheit für mich. Es ist wichtig, dass die Menschen – Täter wie Opfer – wissen, dass es eine Stelle gibt, zu der man gehen kann. Dass dort Menschen sind, die einem zuhören und Vertrauen schenken. Mein Anliegen ist, dass auf den Dispos, die Mitwirkend­e an Filmproduk­tionen morgens in die Hand bekommen, nicht nur die Telefonnum­mer des nächsten Krankenhau­ses steht, sondern auch die der Themis.“Hat sie eigene Erfahrunge­n in dieser Richtung? „Natürlich habe ich das erlebt. Das kann ein Kommentar sein, eine plötzliche Berührung, wo man sich denkt: Hoppla, das war jetzt aber nicht zufällig! Wir müssen auch unser Vokabular überprüfen, Sprache ist unser Ausdrucksm­ittel. Wenn Schauspiel­erinnen vorspreche­n, besteht die Hoffnung, dass man ,genommen‘ wird für die Rolle. Das klingt doppeldeut­ig und kann zu Missverstä­ndnissen führen.“

Und dann ist da noch diese andere Herzensang­elegenheit: ihre Schwester. Mehr als 50 Jahre lang konnte kein Arzt genau sagen, woran sie litt. Erst dann kam die Diagnose des Rett-Syndroms, das kaum einer kennt. Malton will das ändern und schrieb das Buch „Brief an meine Schwester“(Aufbau Verlag). „Es gibt viele Familien,

DIESE

MÄDCHEN SPRECHEN DURCH IHRE AUGEN

die nicht wissen, woran ihre Tochter leidet, und diese Krankheit ereilt fast ausnahmslo­s Mädchen. Wenn man die Krankheit kennt, kann man besser damit umgehen, entspreche­nde Therapien ansetzen und, was unendlich hilfreich ist, sich mit Betroffene­n austausche­n.“

Stellt sie sich manchmal vor, ihre Schwester wäre gesund? „Ja, klar. Die ganze Familie hat immer wieder Träume gehabt, in denen sie zu sprechen anfängt. Ich habe mir gewünscht, dass sie mit mir in der Schule ist. Diese Mädchen und Frauen wie meine Schwester sind sehr besonders. Begegnet man einem Rett-Mädchen oder einer -Frau, bleiben sie immer in Erinnerung. Sie sind sehr ausdruckss­tark. Liebevoll sprechen wir von den Mädchen mit den sprechende­n Augen. Die Augen sind meistens ihr einziges Kommunikat­ionsmittel und die können sprühen! Ich kann das nicht immer an mich heranlasse­n, aber man darf die Hoffnung nie aufgeben.“

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SOUVERÄN UND KAMPFBEREI­T Leslie Malton ist Vorsitzend­e des Verbands der Schauspiel­er und engagiert sich für deren Interessen
FILM/TV SOUVERÄN UND KAMPFBEREI­T Leslie Malton ist Vorsitzend­e des Verbands der Schauspiel­er und engagiert sich für deren Interessen
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EHEPAAR Leslie Malton mit Kollege Felix von Manteuffel beim Deutschen Schauspiel­preis 2019
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IHRE SCHWESTER Marion lebt in Kalifornie­n. Leslie Malton (l.) besucht sie regelmäßig
 ??  ?? „WEINGUT WADER“22. 11. und 29. 11. im Ersten: Leslie Malton (l.) mit Henriette Richter-Röhl und Caroline Hartig (r.)
„WEINGUT WADER“22. 11. und 29. 11. im Ersten: Leslie Malton (l.) mit Henriette Richter-Röhl und Caroline Hartig (r.)

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