Editorial
Manchmal hat man das Gefühl, man müsste mindestens zwei Leben haben – um all das zu schaffen, was wir uns jeden Tag vornehmen. Geschweige denn all das zu genießen, was der Tag uns schenkt. Vor allem die Segnungen der Digitalisierung lassen uns Sklaven unseres Alltags werden. Wo man früher einfach mal nicht ans Telefon ging, mahnen uns jetzt eine WhatsApp-Nachricht oder eine E-Mail auf dem Handy, sofort zu reagieren. Und das Tag und Nacht! Egal, ob die Nachricht vom Arbeitgeber kommt, oder aus dem Freundeskreis – wir leben ein Leben im Dauerstress. Was diesen Druck noch erhöht: Um uns herum erwecken alle den Anschein, mit den Herausforderungen unserer Zeit blendend zurechtzukommen.
Hollywood-Star Julia Roberts und ihr Mann Danny Moder haben längst erkannt, wie gefährlich diese Dauerbelastung für Gesundheit, Seele und Eheglück sein kann. „Wenn mir alles über den Kopf wächst, greife ich zum Strickzeug“, sagt sie. „Für wichtige Rückzugsmomente haben wir uns sogar einen eigenen Anti-Stress-Raum eingerichtet.“Die Wissenschaft gibt Julia Roberts Recht: „Stress ist laut WHO zu einer der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts geworden“, erklärt die Psychologin Celia Pirker. „Viele Menschen sehen Pausen in anstrengenden Zeiten als Luxus. Das ist absurd! Ausgerechnet das, was ihnen guttut, lassen sie weg!“Frauen sind dem Stress besonders häufig ausgesetzt. Weil sie empathisch, fürsorglich und mit der großen Gabe des Multi-Taskings ausgestattet sind, muten sie sich häufig zu viel zu. Die Forschung spricht hier vom „Rushing-Woman-Syndrom“.
Und noch etwas leidet unter der permanenten Erwartungshaltung unserer Gesellschaft: die Liebe! Gestresste Paare rasen wie zwei Autos auf der Autobahn nebeneinanderher. Ohne Chance, innezuhalten, sich zu berühren, sich in die Augen zu schauen. Ohne Chance, sich zu zeigen, wie sehr man einander braucht. Dabei ist gerade die Liebe die wichtigste Oase in der emotionalen Dürre unserer Zeit.
Es gibt nur dieses eine Leben.