GUT KAUEN heißt: besser verdauen
gessen wird, ist bei einigen Betroffenen ebenfalls entscheidend. Weil große Mengen den Magen übermäßig dehnen, was den Schließmuskel nach oben zur Speiseröhre kurzzeitig erschlaffen lässt, rät Prof. Seiderer-Nack Reflux-Geplagten, über den Tag verteilt fünf kleine, leichte Portionen zu essen – die letzte am besten vier Stunden vor dem Schlafengehen. „Zudem sollte man sich Zeit für die Mahlzeiten lassen und die Speisen gut kauen“, so SeidererNack. Mit Antazida und niedrig dosierten Protonenpumpeninhibitoren gibt es rezeptfreie Medikamente, die gut gegen das Sodbrennen helfen. „Doch sie beseitigen die Ursache für den Reflux nicht“, betont Julia Seiderer-Nack. Sie kurzfristig zu nehmen, sei zwar okay, aber in vielen Fällen wäre eine achtsame Ernährung und eine Umstellung des Lebensstils nachhaltiger. „Zum Beispiel ist Abnehmen eine wirksame Maßnahme, weil zu viele Kilos den Druck auf den Magen und die Speiseröhre unnötig erhöhen. Auch Rauch-Stopp und bewusster Stressabbau durch Yoga oder eine andere Entspannungstechnik können das Refluxfeuer löschen – ebenso Kaugummikauen nach dem Essen, weil es den Speichelfluss anregt.“Auch die Behandlung mit Hausmitteln wie Heilerde, Leinsamen oder Kartoffelsaft kann die Beschwerden lindern. Damit der Schließmuskelring zwischen Speiseröhre und Magen wieder besser schließt, empfiehlt die Ärztin zudem dessen Helfer – das Zwerchfell – mit Atemübungen oder Singen zu stärken.
Wie sich der gereizte Darm beruhigen lässt
Ein anderes häufiges Beschwerdebild im Verdauungstrakt ist das sogenannte Reizdarmsyndrom (RDS). Es betrifft bis zu 30 Prozent der erwachsenen Deutschen – Frauen etwa doppelt so häufig wie Männer. „Ein RDS liegt vor, wenn Symptome wie Bauchschmerzen, Krämpfe, Durchfall, Verstopfung, Blähungen und Völlegefühl
mindestens drei Monate immer wiederkehren und alle anderen Magen-Darm-Erkrankungen ausgeschlossen werden können“, beschreibt Ahmed Madisch, Chefarzt der Gastroenterologie am KRH Klinikum Siloah in Hannover und Professor an der Technischen Universität Dresden, die funktionelle Verdauungsstörung. „Dabei können die Symptome wechseln und in unterschiedlicher Intensität auftreten.“Die Ursachen für die Beschwerden sind noch nicht bis ins Detail entschlüsselt. „Fest steht jedoch, dass mehrere Faktoren eine Rolle spielen“, so Prof. Madisch.
Neben einer genetischen Veranlagung können beispielsweise Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Magen-Darm-Infekte oder eine Behandlung mit Antibiotika Auslöser sein. Lange glaubte man, dass es beim Reizdarm keine organischen Trigger gäbe: „Heute wissen wir jedoch, dass bei
den Patienten die Magen-Darm-Nerven überempfindlich reagieren, kleinste Entzündungen im Darm nachweisbar sind und die Darmbarriere gestört ist. Zudem zeigen sich Veränderungen im Darmmikrobiom“, erläutert Prof. Madisch. Doch diese feinen Veränderungen im Darm lassen sich mit Routineuntersuchungen nicht so einfach feststellen. Das mag ein Grund sein, warum es oft sehr lange dauert, bis bei den Betroffenen die Diagnose RDS gestellt wird – bis zu acht Jahre, wie eine Umfrage der Barmer Ersatzkasse zeigte. Nach dieser Odyssee durch Arztpraxen ist es für die Patienten eine große Erleichterung zu erfahren, dass sie keine gefährliche Erkrankung haben. Für Prof. Madisch ist es daher entscheidend, „den Patienten zu Beginn der Behandlung über den gutartigen Charakter des RDS aufzuklären, aber auch, dass es nicht heilbar ist, und gemeinsam realistische Therapieziele zu setzen“. Denn es gibt keine einheitliche Behandlungsstrategie, die allen Betroffenen hilft. Soll heißen, es muss Schritt für Schritt ausprobiert werden, was dem Einzelnen nützt. Das können beispielsweise moderates Ausdauertraining, eine Ernährungsumstellung und/oder Entspannungsverfahren sein – etwa Darmhypnose. „Sie wirkt wie ein Reset auf das Nervensystem im Darm und die Fehlermeldungen hören auf“, erläutet Internist Madisch. Bei akuten Beschwerden behandelt er, je nach Leitsymptom, möglichst mit Phytopharmaka, Ballaststoffpräparaten, Probiotika oder Heilerde. Diese natürlichen Mittel haben alle einen großen Vorteil, nämlich so gut wie keine Nebenwirkungen. Dies sei bei einer nicht ernsthaften Erkrankung wie dem RDS entscheidend, betont der Arzt aus Hannover.